aa) Überblick

 

Rz. 32

War der Anwalt bereits im Besteuerungsverfahren oder einem anderen Verwaltungsverfahren vor der Steuerbehörde oder einer anderen Verwaltungsbehörde tätig, ist die dort verdiente Gebühr hälftig anzurechnen, bei mehreren Gebühren sind sämtliche Gebühren anzurechnen.

Soweit eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV angefallen ist, ergibt sich die Anrechnung aus Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV.
Soweit eine Gebühr nach der StBVV angefallen ist, erfolgt die Anrechnung nach § 35 Abs. 2 StBVV i.V.m. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV.

bb) Vorbefassung richtet sich nach dem RVG

 

Rz. 33

Hatte der Anwalt im Besteuerungs- oder Verwaltungsverfahren eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV verdient, ist diese nach Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV hälftig anzurechnen, höchstens zu 0,75.

 

Beispiel 9: Anrechnung einer Geschäftsgebühr im Verwaltungs-/Besteuerungsverfahren auf die nachfolgende Geschäftsgebühr des Einspruchsverfahrens

Die Kindergeldkasse hatte von der Mandantin Kindergeld für sechs Monate zurückverlangt (6 x 219,00 EUR). Der Anwalt hatte das Verlangen zurückgewiesen. Gegen den hiernach ergangenen Rückforderungsbescheid legt der Anwalt Widerspruch ein.

Für das Verwaltungsverfahren erhält der Anwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Für das Widerspruchsverfahren entsteht eine weitere Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV, auf die gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV die erste Gebühr hälftig anzurechnen ist.

Der Gegenstandswert berechnet sich gem. dem Streitwertkatalog der Finanzgerichtsbarkeit nach dem verlangten Betrag, also hier nach dem Wert in Höhe von 6 x 219,00 EUR = 1.314,00 EUR. Der Mindestbetrag des § 52 Abs. 4 Nr. 1 GKG greift hier nicht, da er nicht für Kindergeldangelegenheiten gilt.

Ausgehend jeweils von der sog. Schwellengebühr in Höhe von 1,3, ergibt dies folgende Berechnung:

 
I. Besteuerungsverfahren    
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   165,10 EUR
  (Wert: 1.314,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 185,10 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   35,17 EUR
Gesamt   220,27 EUR
II. Einspruchsverfahren    
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   165,10 EUR
  (Wert: 1.314,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV anzurechnen,   – 82,55 EUR
  0,65 aus 1.314,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   16,51 EUR
  Zwischensumme 99,06 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   18,82 EUR
Gesamt   117,88 EUR
 

Rz. 34

Wegen der Einzelheiten kann auf die Ausführungen zu den allgemeinen Verwaltungsverfahren (siehe § 29 Rdn 28 ff.) Bezug genommen werden.

cc) Vorbefassung richtet sich nach der StBVV

 

Rz. 35

Aufgrund der Umstellung durch das 2. KostRMoG von einer ermäßigten Rahmengebühr nach Nr. 2301 VV a.F. bei Vorbefassung auf eine Gebührenanrechnung war in § 35 RVG eine ergänzende Regelung für die Fälle erforderlich, in denen sich die Gebühren in einer dem Nachprüfungsverfahren (Einspruchsverfahren) vorangehenden anwaltlichen Tätigkeit nicht nach dem RVG richten, sondern gem. § 35 Abs. 1 RVG nach der StBVV.

 

Rz. 36

Diese Regelung findet sich in § 35 Abs. 2 S. 1 RVG. Danach ist eine Gebühr nach §§ 23, 24 oder 31 StBVV anzurechnen wie eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Eine solche Gebühr wird also hälftig angerechnet, höchstens zu einem Satz von 0,75 (Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 1 VV).

 

Rz. 37

Da der Gegenstandswert nach der StBVV im Verwaltungsverfahren (Besteuerungsverfahren) i.d.R. höher ist als der Gegenstandswert nach dem RVG im Nachprüfungsverfahren, ordnet § 35 Abs. 2 S. 2 RVG ergänzend an, dass die Gebühr nach der StBVV nur nach dem geringeren Wert der nachfolgenden Geschäftsgebühr anzurechnen ist.

 

Beispiel 10: Anrechnung einer Gebühr nach der StBVV auf nachfolgende Geschäftsgebühr

Der Anwalt hatte für den Mandanten die Erbschaftssteuererklärung (Wert des Nachlasses: 150.000,00 EUR) erstellt und beim Finanzamt eingereicht. Es ist ein Erbschaftssteuerbescheid über 4.000,00 EUR ergangen. Dagegen legt der Anwalt auftragsgemäß Einspruch ein.

Für das Besteuerungsverfahren erhält der Anwalt eine Gebühr nach § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV aus der Tabelle A der StBVV (Anlage 1 zur StBVV). Der Gegenstandswert richtet sich nach Anm. zu § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV und beläuft sich auf den Wert des Nachlasses.

Im Einspruchsverfahren greift die Verweisung des § 35 RVG nicht, da auf § 40 StBVV nicht Bezug genommen wird. Der Anwalt erhält daher eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Maßgebend ist jetzt gem. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 52 Abs. 1, 3 GKG der Wert der angegriffenen Steuerforderung, hier also 4.000,00 EUR.

Anzurechnen ist jetzt noch die Gebühr des § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV zur Hälfte (Vorbem. 2.3. Abs. 4 S. 1 VV), und zwar aus dem Wert der Steuerforderung (§ 35 Abs. 2 S. 2 RVG).

Ausgehend jeweils von den Mittelgebühren ergibt dies folgende Berechnung:

 
I. Besteuerungsverfahren    
1. 6/10-Gebühr, § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV   1.118,40 EUR
  (Wert: 150.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.138,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   216,30 EUR
Gesamt   1.354,70 EUR
II. Einspruchsverfahren    
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV

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