1. Eheliche Lebensverhältnisse

 

Rz. 33

Der Bedarf eines Ehegatten richtet sich nicht nach Bedarfssätzen wie der Kindesunterhalt.

 

§ 1578 Maß des Unterhalts

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen.

 

Rz. 34

Sowohl beim Trennungsunterhalt als auch beim nachehelichen Ehegattenunterhalt (Geschiedenenunterhalt) sind also die ehelichen Lebensverhältnisse Maßstab für den Unterhalt. Der Bedarf des Ehegatten ist "die Hälfte der ehelichen Lebensverhältnisse".

2. Rechtskraft der Scheidung als Stichtag

 

Rz. 35

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse ist der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung.

 

Rz. 36

Zu unterscheiden ist zwischen dem Bedarf des Unterhaltsberechtigten und der Fähigkeit des Unterhaltspflichtigen, diesen Bedarf zu decken. Diese Prüfungspunkte dürfen nicht vermischt werden.

 

BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, Absatz-Nr. 57

Die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB stellt nach diesem normativen Konzept den Ausgangspunkt der Unterhaltsberechnung dar, an dessen Ermittlung sich die Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sowie der Verteilung verfügbarer Geldmittel des Pflichtigen im Mangelfall anschließt.

 

Rz. 37

Für die Bedarfsbestimmung sind grds. die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung maßgebend.

 

BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, Absatz-Nr. 57

Mit der Ausrichtung des Unterhaltsmaßes an den "ehelichen Lebensverhältnissen" hat der Gesetzgeber auf die individuellen Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten Bezug genommen, die er zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung bestimmt wissen will.

 

Rz. 38

Der BGH ist nach vorübergehender Bejahung einer Wandelbarkeit der ehelichen Lebensverhältnisse zu seiner früheren Rechtsprechung (Stichtag ist die Rechtskraft der Scheidung) zurückgekehrt.[7]

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09

Im Anschluss an diese Entscheidung (Anm.: Entscheidung des BVerfG) gibt der Senat diese Rechtsprechung (Anm.: ohne Stichtagsprinzip) zur Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (vgl. BGHZ 175, 182 = FamRZ 2008, 968 Rn 42 ff. und BGHZ 177, 356 = FamRZ 2008, 1911 Rn 30 ff.) auf und kehrt für die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu dem seiner früheren Rechtsprechung zugrunde liegenden Stichtagsprinzip zurück.

Danach werden die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich jedenfalls durch die Umstände bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eintreten (…).

[7] Zu den nachehelichen Änderungen der finanziellen Verhältnisse, die wegen bzw. trotz des Stichtagsprinzips unbeachtlich bzw. beachtlich sind vgl. im Einzelnen Wendl/Gerhardt, § 4 Rn 472 ff.

3. Der Bedarf des Ehegatten ist "die Hälfte der ehelichen Lebensverhältnisse" (Halbteilungsgrundsatz)

 

Rz. 39

Es gilt der Grundsatz der gleichen Teilhabe (Halbteilungsgrundsatz).

 

BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, Absatz-Nr. 46

Das nacheheliche Unterhaltsrecht und insbesondere die verfahrensgegenständliche Bestimmung des Maßes nachehelich zu gewährenden Unterhalts nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf danach einer rechtlichen Ausgestaltung, bei der die Handlungsfreiheit sowohl des Unterhaltsberechtigten wie auch des Unterhaltsverpflichteten unter Berücksichtigung des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG in Ausgleich zu bringen ist. Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG schützt als wertentscheidende Grundsatznorm die Ehe als Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner, in der die Ehegatten ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung bestimmen und bei der die Leistungen, die sie im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung jeweils erbringen, als gleichwertig anzusehen sind. Aus dieser Gleichwertigkeit folgt, dass beide Ehegatten grundsätzlich Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten haben, das ihnen grundsätzlich zu gleichen Teilen zuzuordnen ist (vgl. BVerfGE 105, 1, 10 ff.). Das Prinzip gleicher Teilhabe gilt nicht nur während des Bestehens der Ehe, sondern entfaltet für den Fall eines gesetzlich geregelten Unterhaltsanspruchs seine Wirkung auch nach Trennung und Scheidung, insbesondere auf die unterhaltsrechtliche Beziehung der Eheleute untereinander. Bei der Unterhaltsbemessung ist das Einkommen, das den Lebensstandard der Ehe geprägt hat, den Ehegatten daher grundsätzlich hälftig zuzuordnen, unabhängig davon, ob es nur von einem oder von beiden Ehegatten erzielt worden ist (vgl. BverfGE 63, 88 (109); 105, 1 (12)). Bei der gesetzlichen Ausgestaltung des nachehelichen Unterhaltsrechts ist zudem zu berücksichtigen, dass einander nachfolgende Ehen durch Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG gleichrangig und gleichwertig geschützt werden (vgl. BVerfGE 66, 84 <94 f.>; 108, 351 <364>). Damit sind Modifikationen des Grundsatzes gleicher Teilhabe nicht ausgeschlossen.

 

Rz. 40

Die Bedarfsbestimmung muss nach den ehelichen Lebensverhältnissen erfolgen.

 

BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, Absatz-Nr. 60

Demgegenüber hat der Gesetzgeber § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB keiner Änderung unter...

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