Rz. 50

Bereits sprachlich ergibt sich aus Ziff. 1.3 AUB 08/99, § 1 III AUB 94/88 und § 2 I AUB 61 die kausale Verbindung zwischen Ereignis und Gesundheitsschädigung im Unfallbegriff.[120] Nach allgemeiner Ansicht gilt die Adäquanzthorie. Das Unfallereignis muss im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen und ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zulassenden Umständen geeignet sein, die Gesundheitsschädigung herbeizuführen.[121] Abgestellt wird auf eine nachträgliche Prognose, wobei neben dem Wissen der VP auch alle einem optimalen Betrachter zurzeit des Unfalls erkennbaren Gegebenheiten zu berücksichtigen sind, unter Heranziehung des gesamten zur Zeit der Beurteilung zur Verfügung stehenden Erfahrungswissens.[122]

Ausreichend ist eine Mitursächlichkeit.[123] Waren Krankheiten, Gebrechen oder körperliche Veranlagungen für den Gesundheitsschaden mitursächlich, dann ist dies im Rahmen der Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen (vgl. § 7) zu berücksichtigen. Auch ein ärztlicher Kunstfehler unterbricht die Kausalität in der Regel nicht.[124]

 

Rz. 51

An einer Kausalität fehlt es, wenn jede andere beliebige Ursache den Gesundheitsschaden ebenfalls hervorgerufen haben könnte (sog. Gelegenheitsursache).[125] Hier wird eine bereits bestehende Gesundheitsschädigung lediglich vollendet oder sichtbar, im Sinne eines letzten Tropfens, der das Fass zum überlaufen bringt. Ob unfallfremde Faktoren früher oder später zum gleichen Schadenerfolg geführt hätten ist nicht relevant, sog. Reserveursachen oder eine überholende Kausalität sind nicht zu prüfen.

 

Rz. 52

In der Praxis führen häufig Meniskus- oder Achillessehnenrisse[126] sowie Rotatorenmanschettenrupturen[127] zu Kausalitätsproblemen. Streitgeneigt sind auch Bandscheibenvorfälle, bei denen eine Kausalität nur dann anzunehmen ist, wenn ein aus medizinischer Sicht eindrucksvolles und dramatisches Unfallereignis vorlag, das zu sehr starken Schmerzen und dem Unvermögen führt, sich selbst zu erheben.[128] Ein unfallbedingter Bandscheibenschaden ist damit in der Regel nur dann anzunehmen, wenn die äußere Einwirkung mindestens so stark war, dass auch ein Wirbel davon brechen kann.[129]

Häufig problematisch ist im Zusammenhang mit Todesfällen das Zusammenwirken von Unfallfolgen mit Erkrankungen. Hier ist eine genaue Quantifizierung der jeweiligen Ursachenanteile am Tod teilweise nicht möglich.

Für die haftungsbegründende Kausalität gilt der Beweismaßstab des § 286 ZPO, ein Anscheinsbeweis ist nicht möglich.[130]

 

Rz. 53

Eine besondere Konstellation ergibt sich bei Schwangerschaften. Setzen nach einem Autounfall einer schwangeren VP erste Wehen ein, ohne dass andere behandlungsbedürftige Verletzungen vorliegen, so stellt sich die Frage, ob der VR für die stationäre Behandlung leistungspflichtig ist.

Der Autounfall ist zumindest mitursächlich für die Wehen. Mangels weiterer körperlicher Beeinträchtigungen findet der Krankenhausaufenthalt aber alleine wegen der Wehen statt und ist damit wegen eines inneren Zustands der VP begründet. Da eine Schwangerschaft weder eine Krankheit noch ein Gebrechen darstellt, greifen die Mitwirkungsregeln nicht. Die Kontrolluntersuchung ist jedoch als medizinisch notwendige Unfallfolgebehandlung zu werten, da bei Schwangeren ein anderer Maßstab für notwendige Behandlungen anzulegen ist als bei einer nicht schwangeren VP. Ein Krankenhaustagegeld z.B. ist somit voll zu zahlen.

[120] So auch Grimm, Ziff. 1 Rn 49.
[122] Grimm, Ziff. 1 Rn 49.
[123] Bruck/Möller-Leverenz, § 178 VVG, Rn 156.
[124] Kloth, E Rn 35 mit weiterer Ausführung.
[126] Grimm, Ziff. 1 Rn 50.
[127] Zur Problematik: OLG Dresden v. 8.10.2007 – 4 U 1046/07, r+s 2008, 432 ff; Visé, r+s 2009, 485ff.; Hoenicke, r+s 2009, 489 ff.
[128] OLG Schleswig v. 30.6.1970 – 1 U 13/70, VersR 1970, 1048.
[129] LG München v. 1.3.1990 – 27 O 19515/89, r+s 1992, 36.
[130] LG Dortmund v. 14.7.2010 – 2 O 71/08, www.justiz.nrw.de.

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