Rz. 259

Dem Ausgangspunkt, wonach isolierte Berechnungen des Gesamtschuldnerausgleichs, des Ehegattenunterhalts und des Zugewinnausgleichs nicht zielführend sind, ist zuzustimmen. Im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung kommt man zu billigen Resultaten und zwar in folgender Weise:

 

Beispiel

Der Ehemann verfügt über ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen in Höhe von 4.500 EUR. In der Ehe hat er gemeinsam mit der Ehefrau ein zinsloses Familiendarlehen aufgenommen in Höhe von 50.000 EUR, das er (allein) mit mtl. 1.000 EUR zurückzahlt. Die Ehefrau verfügt über kein Einkommen, der Ehemann ist ihr gegenüber zur Zahlung von Ehegattenunterhalt verpflichtet. Beide Eheleute verfügten bei Heirat über kein Anfangsvermögen, während der Ehe gab es keinen "privilegierten Erwerb" gemäß § 1374 Abs. 2 BGB und keine Erbschaften/Schenkungen. Bei Zustellung des Scheidungsantrags ist bei beiden aber jeweils eine unbelastete Eigentumswohnung im Wert von jeweils 120.000 EUR vorhanden.

Um gemäß dem vorstehenden Beispiel ein billigenswertes, ökonomisches Resultat zu erzielen, muss eine Wechselbeziehung zwischen dem Gesamtschuldnerausgleich, dem Ehegattenunterhalt und dem Zugewinnausgleich hergestellt werden.

(1) Ansatz der Gesamtschuld im Unterhaltsverfahren; nachträgliche Zugewinnausgleichsberechnung

 

Rz. 260

Wenn man die vom Ehemann im Außenverhältnis übernommene gesamtschuldnerische Verbindlichkeit bei den Unterhaltsberechnungen berücksichtigt, ist wie folgt zu rechnen:

 

Rechenbeispiel

 
Einkommen des Ehemannes, abzgl. der Rate für das Darlehen 4.500 EUR
abzgl. Rate auf gemeinsame Darlehensschuld – 1.000 EUR
unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen 3.500 EUR
Unterhaltsanspruch der Ehefrau (3/7 von 3.500 EUR) 1.500 EUR

Wenn man die vom Ehemann im Außenverhältnis übernommene gesamtschuldnerische Verbindlichkeit bei den Unterhaltsberechnungen nicht berücksichtigt, wäre wie folgt zu rechnen:

 

Rechenbeispiel

 
Einkommen des Ehemannes (ohne Darlehensrate) 4.500 EUR
Unterhaltsanspruch der Ehefrau (3/7 von 4.500 EUR) (gerundet) 1.929 EUR

Stellt man beide Unterhaltsbeträge der Ehefrau, einmal mit und einmal ohne Berücksichtigung der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit, die der Ehemann zurückführt, gegenüber, so ergibt sich eine faktisch wirtschaftliche Beteiligung der Ehefrau durch die Verminderung ihres Ehegattenunterhaltsanspruchs in Höhe von 429 EUR (1.929 EUR ohne Darlehensverbindlichkeit, 1.500 EUR mit Darlehensverbindlichkeit).

 

Rz. 261

Daneben steht dem Ehemann nach der hier vertretenen Ansicht ein weiterer Gesamtschuldnerausgleich gegen die Ehefrau im Hinblick auf die Differenz zwischen ihren (verminderten) Unterhaltsanspruch und dem sich nach dem Maßstab des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB ergebenden "Kopfquote" in Höhe von 71 EUR (gerundet) zu (1.000 EUR gesamtschuldnerische Verbindlichkeit, davon ½ = 500 EUR; verminderter Unterhaltsanspruch der Ehefrau 429 EUR; Differenz 71 EUR).

 

Rz. 262

Die Differenz ergibt sich allein daraus, dass der Unterhaltsanspruch der Ehefrau nicht ½ des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Ehemannes beträgt, sondern diesem vorab ein Erwerbstätigenbonus im Rahmen der Unterhaltsberechnungen zugebilligt wird; dieser würde ihm zumindest teilweise wieder genommen, wenn man ihm den vorstehend errechneten, weiteren Gesamtschuldnerausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB nicht zubilligen würde.

 

Rz. 263

Vorstehendes gilt ebenso, wenn man das Beispiel dahingehend abwandelte, dass neben der Tilgung des Gesamtschuldnerdarlehens selbiges auch noch zu verzinsen wäre. Wirtschaftlich hätten auch für die Zinsen beide Ehegatten hälftig aufzukommen, mit der Folge, dass auch diesbezüglich der Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB noch durchzuführen wäre, da die Einstellung der Zinsverbindlichkeiten in die Unterhaltsberechnungen wiederum im Hinblick auf die 3/7 Quote nicht zu einen vollständigen wirtschaftlichen Äquivalent für den Ehemann führt.

 

Rz. 264

Im Übrigen findet natürlich wegen der gesamtschuldnerischen Darlehensverbindlichkeit ein Gesamtschuldnerausgleich nicht statt, da die Einstellung der monatlichen Rückzahlung auf das gesamtschuldnerische Darlehen bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Ehemannes als "anderweitige Bestimmung" im Sinne von § 426 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen ist, welche den Gesamtschuldnerausgleich insoweit ausschließt.

 

Rz. 265

Im Zugewinnausgleich ist zu berücksichtigen, dass durch die Einstellung der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit in Höhe der monatlichen Rückführungsrate durch den Ehemann bereits in die Unterhaltsberechnungen und dem wegen der "Gesamtschuldnerausgleichsspitze" durchgeführten weiteren Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, die Ehefrau wirtschaftlich zur Hälfte an der Rückführung des gemeinsamen Darlehens beteiligt worden ist. Deshalb darf die Gesamtschuld nicht allein beim Ehemann angesetzt werden, sondern sie ist in voller Höhe in die Zugewinnausgleichsbilanz des jeweiligen Ehegatten als Verbindlichkeit einzustellen:

 

Rechenbeispiel

Endvermögen Ehemann

 
Eigentumswohnung 120.000 EUR
abzgl. gemeinsame Verbindlichk...

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