Rz. 231

Da – wie bereits ausgeführt – der Gesamtschuldnerausgleich durch den Zugewinnausgleich nicht verdrängt wird, sondern beide Rechtsinstitute unabhängig voneinander bestehen und Ansprüche hieraus geltend gemacht werden können, hindert auch ein bereits durchgeführter Zugewinnausgleich die nachfolgende Geltendmachung von Gesamtschuldnerausgleichsansprüchen nach § 426 BGB grundsätzlich nicht. Es gibt keinen Rechtssatz mit allgemeiner Bedeutung dahingehend, dass zivilrechtliche Ausgleichsansprüche wegen gesamtschuldnerischer Haftung des einen Ehegatten gegen den anderen nur solange geltend gemacht werden können, wie durch Einbeziehung in den güterrechtlichen Ausgleichsmechanismus des Zugewinnausgleichs zwischen Eheleuten eine nochmalige Bewertung ggf. Korrektur der so gezeitigten Ergebnisse möglich ist.

 

Rz. 232

Die Durchsetzung aller schuldrechtlichen Zahlungsansprüche von Ehegatten untereinander, so auch des Gesamtschuldnerausgleichs, besteht grundsätzlich ungeschmälert fort und sind gerichtlich durchsetzbar, auch wenn die güterrechtliche Auseinandersetzung nach Trennung/Scheidung bereits abgeschlossen ist.

 

Rz. 233

Fraglich ist also, wie mit Fällen umzugehen ist, in denen beispielsweise die Ehefrau gegen den Ehemann aus Rückzahlung einer gemeinsamen Darlehensschuld nach Trennung einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch nach § 426 BGB in Höhe von 50.000 EUR hat, wenn dieser Anspruch im Rahmen eines bereits abgeschlossenen Verfahrens auf Durchführung des Zugewinnausgleichs im Rahmen des Ehescheidungsverbundes nicht berücksichtigt worden ist und sich deshalb im Rahmen der Bilanzierung ein Zugewinnausgleichsanspruch für den Ehemann nicht ergeben hat. Dieser macht nunmehr im Rahmen eines gegen ihn gerichteten Verfahren auf Zahlung des Gesamtschuldnerausgleichs in Höhe von 50.000 EUR geltend, das bei Berücksichtigung desselben im Rahmen der Zugewinnausgleichsberechnungen sich ein Ausgleichsanspruch gegen seine Ehefrau, mit welcher er anspruchsmindernd oder –eliminierend hätte aufrechnen können, ergeben hätte.

(1) Ausschluss der Anspruchsgeltendmachung wegen "unzulässiger Rechtsausübung"

 

Rz. 234

Ist ein Zugewinnausgleichsverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen, kann der nunmehr zivilrechtlich aufgrund schon zum damaligen Zeitpunkt bestehender und grundsätzlich einbezugsfähiger Forderungen in Anspruch genommene Ehegatte einer damit einhergehenden Verzerrung des Ergebnisses des damaligen Zugewinnausgleichsverfahren begegnen, indem er gegen die nunmehr zivilrechtlich an ihn herangetragenen Gesamtschuldnerausgleichsansprüche des anderen Ehegatten die Unzulässigkeit der nunmehrigen Rechtsausübung als Ausprägung des Grundsatzes von "Treu und Glauben" gemäß 242 BGB geltend macht.[149]

 

Rz. 235

Allerdings trifft ihn die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass diese Verzerrung des Ergebnisses des abgeschlossenen Zugewinnausgleichsverfahrens sich nicht ergeben hätte, wenn die nunmehr gegen ihn geltend gemachte Forderung außerhalb des Güterrechts in den Zugewinnausgleich einbezogen worden wäre.[150] Dies ergibt sich aus den allgemeinen Beweisregeln. Im dem nachfolgenden zivilrechtlichen Verfahren ist also zu klären, wie und mit welchem Resultat sich die Berücksichtigung der nunmehr geltend gemachten zivilrechtlichen Ausgleichsforderung auf das Verfahren über die Durchführung des Zugewinnausgleichs ausgewirkt hätte. Der beklagte Ehegatte kann sich also mit Aussicht auf Erfolg dahingehend verteidigen, das gerichtliche Verfahren auf Durchführung des Zugewinnausgleich wäre vollständig anders verlaufen und hätte ein wesentlich anderes Ergebnis gezeitigt, wenn alles, was damals bereits hätte berücksichtigt werden können und was nunmehr erst geltend gemacht werde, auch bereits damals berücksichtigt worden wird.

 

Rz. 236

Auf diesem Wege wird erreicht, dass der so nachträglich belastete Ehegatte davor geschützt wird, einen doppelten Nachteil hinnehmen zu müssen, der so aussähe:

Zum einen hat er beim Zugewinnausgleich Nachteile erlitten, indem die gegen ihn gerichtete Ausgleichsforderung nicht als Aktivposten in der Vermögensbilanz des nunmehrigen Anspruchstellers berücksichtigt wurde und
zum anderen soll er nunmehr diese Verbindlichkeit auch tatsächlich bezahlen, ohne dass er Gegenansprüche zur Aufrechnung stellen könnte.
[149] BGH FamRZ 2009, 192 (196).
[150] BGH FamRZ 2009, 192 (195).

(2) Einstellung der Verbindlichkeit bei der Zugewinnausgleichsberechnung als "anderweitige Bestimmung" im Sinne des § 426 BGB

 

Rz. 237

Das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren über die Durchführung des Zugewinnausgleichs hat keine präjudizielle Wirkung auf das nachfolgende Verfahren über die Durchführung des Gesamtschuldnerausgleichs, eine Bindung des nachträglich mit dem Gesamtschuldnerausgleich befassten Gerichts im Hinblick auf die in die Vermögensbilanzen eingestellten Rechnungspositionen ist nicht gegeben.

 

Rz. 238

Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, inwieweit eine "anderweitige Bestimmung" nach § 426 BGB aus der Art und Weise der Einbeziehung der Gesamtschuld in die Vermögensbilanzen der Ehegatten bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsansprüche hergeleitet werden kann, dies mit der Folge, dass der (hälftige) Innenverhältnisausgleic...

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