Rz. 71

War der Erblasser Beamter, hat er regelmäßig Ansprüche gegen seinen Dienstherren auf finanzielle Unterstützung in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und Todesfällen. Diese Beihilfeansprüche werden auf Antrag von dem jeweiligen Dienstherrn prozentual oder pauschal nach Vorlage der (vom Beihilfeberechtigten zuvor privat bezahlten) Rechnungen für beihilfefähige Ausgaben gewährt. Die Höhe der Erstattung ist beschränkt auf 50 % bis 80 % der Aufwendungen, je nach Familiensituation und Bundes- bzw. Landesrecht. Im Regelfall haben die Erblasser den Teil, der nicht durch die Beihilfe gedeckten Aufwendungen, durch eine ergänzende private Krankenversicherung abgesichert.

 

Rz. 72

Es gibt in Deutschland kein einheitliches beamtenrechtliches Beihilferecht. Der Bund für seine Bundesbediensteten und die verschiedenen Bundesländer, die sie für ihre Landesbediensteten übernommen haben,[89] wenden die Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (BBvH, Bundesbeihilfeverordnung vom 13.2.2009,[90] nebst Allgemeiner Verwaltungsvorschriften[91]) an. Die Länder Baden-Württemberg, Saarland und Hamburg haben zwar eigene Beihilfevorschriften, lehnen sich aber in viele Regelungen an den Vorschriften des Bundes an. Lediglich in den Ländern Bremen,[92] Hessen,[93] Nordrhein-Westfalen[94] und Rheinland-Pfalz[95] sind die Unterschiede zur BBhV größer.

 

Rz. 73

Es ist daher zunächst festzustellen, welche Beihilfenverordnung anzuwenden ist, auf deren Grundlage der Nachlasspfleger einen Erstattungsantrag für Krankheits- oder Pflegeaufwendungen stellen kann.

 

Rz. 74

Hinzuweisen ist darauf, dass die Ansprüche auf Beihilfe vererblich sind, auch wenn in den Beihilfenverordnungen der Länder zum Teil noch abweichende Bestimmungen[96] zu finden sind.[97]

 

Rz. 75

Beihilfeansprüche werden nach den meisten Beihilfenverordnungen nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen, spätestens jedoch ein Jahr nach der ersten Ausstellung der Rechnung beantragt werden.[98] Zu verspätet geltend gemachten Aufwendungen darf eine Beihilfe nur gewährt werden, wenn das Versäumnis entschuldbar ist. Eine Wiedereinsetzung in vorigen Stand entsprechend § 32 VwVfG scheidet aus, da es sich um eine materielle Ausschlussfrist handelt.[99]

 

Rz. 76

Ist der Erbe unbekannt, verlängert sich die Jahresfrist in NRW nach § 13 Abs. 3 S. 3 BVO NRW um zwölf Monate. Diese absolute und pauschale Ausschlussfrist ist allerdings nach der hier vertretenen Auffassung rechtswidrig: Denn zum einen gibt es Fälle, in denen die Bestellung zum Nachlasspfleger erfolgt, wenn die Beihilfeansprüche nach dieser Vorschrift schon ausgeschlossen wären. Erfolgt die Bestellung zum anderen kurz vor Ablauf der Ausschlussfrist, hat der Nachlasspfleger oftmals gar nicht genug Zeit für die Ermittlung und Prüfung der Beihilfeansprüche und läuft so ggf. in die Verjährung. In diesen Fällen sollte vielmehr die allgemeine verjährungsrechtliche Regelung des § 211 BGB greifen, die dem Nachlasspfleger immer noch eine Karenzzeit von sechs Monaten ab der Bestellung für die Verjährung von Ansprüchen gewährt.

[89] Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
[90] BBhV v. 13.2.2009, BGBl I S. 326.
[91] BBhVVwV v. 13.6.2013, GMBl. S. 722.
[92] BVO Bremen v. 1.6.2005, GBl S. 215.
[93] BVO Hessen v. 5.12.2001, GVBl. 2011, 182.
[94] BVO NRW v. 5.11.2009, GV. NRW. S. 602.
[95] BVO Rheinland-Pfalz v. 22.6.2011, GVBl. S. 199.
[96] Für NRW jetzt ausdrücklich zur Vererblichkeit: VG Düsseldorf v. 26.1.2016 – 26 K 5888/14, BeckRS 2016, 44068.
[97] BVerwG v. 29.4.2010 – 2 C 77/08, BVerwGE 137, 30 = ZEV 2010, 590, vgl. ausführlich Bartsch, ZErb 2013, 253 ff.
[98] Vgl. z.B. § 54 BBhV; § 13 Abs. 2 BVO Bremen; § 17 Abs. 9 BVO Hessen; § 13 Abs. 3 BVO NRW; § 64 BVO Rheinland-Pfalz (zweijährige Ausschlussfrist).
[99] Vgl. VG Saarlouis v. 15.3.2012 – 6 K 872/11, BeckRS 2012, 50835; Hess. VGH v. 25.7.2012 – 1 A 2253/11, BeckRS 2012, 56265.

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