Rz. 31

Das SGB XII ist ein existenzsicherndes Leistungssystem. Mit anderen hier diskutierten Gesetzen eint das SGB XII das Strukturprinzip der Subsidiarität bzw. des Nachrangs (§ 2 SGB XII). Die vorrangige Selbsthilfeverpflichtung gilt als Ausdruck der Menschenwürde.[32] Das Verständnis der Begriffe von Einkommen und Vermögen, die vorrangig einzusetzen sind, muss sich daraus ableiten. Jede Verbesserung des status quo der Verbesserung des Gesamtvermögens ist grundsätzlich auch eine Verbesserung der Möglichkeit zur Selbsthilfe.[33]

 

Rz. 32

Dieses Prinzip ist das eigentliche Kernstrukturprinzip des SGB XII wie des SGB II. Es realisiert sich entsprechend dem konkreten Bedarf, also der Art der benötigten oder erbrachten Sozialhilfeleistung, die in § 19 Abs. 13 SGB XII aufgezählt werden. Der auf den ersten Blick offenkundige Unterschied zwischen den Voraussetzungen bei den existentiellen Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 19 Abs. 1 und 2 SGB XII) und den Hilfen in speziellen Lebenslagen (§ 19 Abs. 3 SGB XII) besteht darin, dass bei den Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem ermittelten Bedarf das vorhandene Einkommen und verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden und seiner Einsatzgemeinschaft gegenüberzustellen und grundsätzlich jedes Einkommen und verwertbare Vermögen anrechenbar ist.[34] Das Instrumentarium der normativen Verschonungstatbestände ("normativer Schutzschirme") ist begrenzt.

 

Rz. 33

Bei den Hilfen in besonderen Lebenslagen löst sich die Bedürftigkeitsprüfung vom abzudeckenden Bedarf ab. Entscheidend ist, ob der Einsatz von Einkommen und/oder Vermögen zumutbar ist (§ 19 Abs. 3 SGB XII).[35]

Im Grunde wird im SGB XII nach dem Nettoprinzip verfahren:

Zitat

"Leistungen werden danach – außer in den ausdrücklich gesetzlich angeordneten Fällen – nur in Höhe des Betrages erbracht, der die für die Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 8284 SGB XII) und/oder die für die besonderen Sozialhilfeleistungen (§§ 8589 SGB XII) vorgesehenen Grenzen der Berücksichtigung von Einkommen überschreitet, wenn auch kein Vermögen vorhanden ist."[36]

Das Bruttoprinzip ist die Ausnahme.[37]

 

Rz. 34

Der Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens des Hilfesuchenden und/oder der Einsatzgemeinschaft des Hilfesuchenden im sozialrechtlichen Leistungsverhältnis des SGB XII erfolgt im Wege

der Errechnung des einzusetzenden Anteils bei der endgültigen Bewilligung
des Kostenbeitrags, Aufwendungsersatzes oder Darlehens bei der vorläufigen Sozialhilfegewährung
des Sozialhilferegresses in der Form der Überleitung oder des Übergangs des Anspruches oder
der sozialhilferechtlichen Erbenhaftung.
[32] Grube/Wahrendorf/Flint/Deckers, SGB XII, § 1 Rn 1.
[33] Schlegel/Voelzke/Schmidt, jurisPK-SGB XII Rn 21.
[34] Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros/Schellhorn, SGB XII, Einführung, Teil A Rn 66 f.
[35] Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros/Schellhorn, SGB XII, Einführung, Teil A Rn 68.
[37] Vgl. BSG v. 24.3.2015 – Az.: B 8 SO 16/14, SozR 4–3500 § 116 Nr. 1 Rn 14; Berlit/Conradis/Pattar Existenzsicherungsrecht, Teil III, Kapitel 20, Rn 4, 284 ff.

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