Rz. 7

Nun bauen Kfz nicht nur im Rahmen von linearen Bremsungen (also spurstabil in Geradeausrichtung) Tempo ab, sondern auch dann, wenn sie z.B. instabil sind (Drift- oder Schleuderzustand).

Der Übergang von der stabilen Bewegungsphase in Richtung Schleudern beschreibt den Zustand des Driftens. Bewegt sich ein Kfz in der Driftphase, so sind seine Reifenführungskräfte (Haftung in queraxialer Richtung) im Grenzbereich. Das Aussehen einer Driftspur ist in Abb. 3.3 zu sehen.

 

Man erkennt dort einzelne, annähernd quer zur Abzeichnungsrichtung angeordnete Spurstriche, die vor Augen führen, dass das Fahrzeug hier noch nicht unkontrolliert seitlich ausbricht, sondern gerade eben noch an der Stabilitätsgrenze geführt wird.

Verlässt das Kfz diesen schmalen Grat der noch vorhandenen Stabilität, so zeichnet es (auf entsprechendem Untergrund) sog. Schleuderspuren. Diese können sich teils deutlich überschneiden und auch durchaus unterschiedliche Abzeichnungsintensitäten besitzen, Abb. 3.4. Hier hat ein Pkw, ausgehend vom Bildhintergrund in einem Schleudervorgang nach links (in Fahrtrichtung gesehen) die Fahrbahn verlassen und zum Teil überkreuzende Spuräste gezeichnet. Selbst im trockenen Grünstreifenbereich sieht man (direkt hinter dem Leitpfosten) noch den aufgerauten Untergrund.

 

Rz. 8

Jeder Fahrzeugreifen unterliegt auf dem ihn führenden Untergrund physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Diese können am einfachsten im sog. "Kamm'schen Kreis" beschrieben werden, Abb. 3.5.

Abb. 3.5

Auf der waagerechten Achse ist die Leistung des Reifens in längsaxialer Richtung wiedergegeben worden (Antriebs- wie auch Bremskraft). Auf der senkrechten Achse wird (qualitativ) die Fähigkeit des Rades, queraxiale Kräfte zu kompensieren, beschrieben.

Die Leistungsfähigkeit des Reifens bewegt sich etwa entlang des dortigen Kreisbogens, was bedeutet, dass dann, wenn man rund 50 % der vollen Bremsleistung einsteuert, die Driftgrenze des Reifens (die seitliche Haftung) nicht bei (ansonsten ungebremsten) 100 % liegt, sondern um einen Anteil von 10 bis 15 % darunter (in Abb. 3.5 Punkt I). Bewegt man sich auf der negativen waagerechten Achse relativ dicht an den Kreisrand heran, Punkt II, so ist die Seitenführungskraft deutlich dezimiert, nämlich auf einen Wert von etwa 50 %. Für eine trockene Fahrbahn bedeutet das, dass dann, wenn man beispielsweise mit 6 m/s2 abbremst (starke Verzögerung), die Haltekraft (Querbeschleunigung) der Reifen im Rahmen einer Bogenfahrt nicht mehr maximal 7 bis 8 m/s2 beträgt, sondern nur noch 3,5 bis 4 m/s2.

Erfahrene Motorsportler sind in der Lage, ihr Fahrzeug kontrolliert, also entlang dieses sog. Kamm'schen Kreises im Zuge von Kurvenfahrten zu bewegen. Wird dann aber z.B. die Bremskraft so erhöht, dass man diesen Kamm'schen Kreis verlässt, geht das Fahrzeug augenblicklich in eine Schleuderbewegung über, in dessen Verlauf, je nach Bremsdruckeinsteuerung, unterschiedliche Verzögerungswerte auftreten können.

Tabelle 1 zeigt Richtwerte, die vor Augen führen, dass z.B. auf trockener Asphaltfläche im vollgebremsten Zustand ein instabiles, mithin schleuderndes Kfz 5 bis 6 m/s2 (Querbeschleunigung) erreicht, also gegenüber einer linearen, stabilen Maximalbremsung schon erheblich weniger.

 

Tabelle 1

Schleuderverzögerung auf unterschiedlichen Untergründen
Belag Zustand Bremsung Querbeschleunigung
Asphalt trocken vollgebremst 5,0 – 6,0 m/s2
Asphalt trocken ungebremst 3,0 – 4,0 m/s2
Asphalt nass vollgebremst 4,0 – 5,0 m/s2
Asphalt nass ungebremst 2,0 – 3,0 m/s2
Wiese feucht/trocken vollgebremst 2,5 – 3,0 m/s2

Liegt gutes Lichtbildmaterial (z.B. seitens der Polizei) zum Verlauf solcher Spuren und insbesondere der darin enthaltenen Maserungen vor, so lässt sich das dabei abgebaute Tempo recht zuverlässig bestimmen. Hierfür eignen sich z.B. computerunterstützte Auslaufanalysen. Grundsätzlich ist bei einer Schleuderspur der Verlauf der Profilabzeichnungen für die Höhe der momentan wirkenden Verzögerung ein sicheres Indiz. Ist die Profilrichtung quer zur Spurlängsausdehnung ausgerichtet, so war das Fahrzeug während der Schleuderbewegung (quasi) ohne Bremsdruckeinsteuerung durch den Fahrer. Verlaufen die Spuranteile in Längsrichtung der Spur, so ist von einer erheblichen Betätigung der Betriebsbremse auszugehen.

 

Rz. 9

Wenngleich die meisten modernen Fahrzeuge über elektronische Stabilitätsprogramme verfügen, so sind auch sie nicht in der Lage, die Fahrphysik "zu überlisten". Je nach genauer Regelcharakteristik dieses Stabilitätsprogrammes kann es nämlich durchaus bei zwischenzeitlich wechselnden Untergründen zum Ausbrechen des Kfz kommen, wie aber auch dann, wenn z.B. von außen infolge einer Krafteinleitung (Kollision) der Pkw innerhalb kürzester Zeitfenster aus der Bewegungsbahn herausgedrückt wird.

 

Rz. 10

Der Durchschnittsfahrer bewegt sich aber üblicherweise nicht im gerade vorgestellten Grenzbereich (Driftbewegung). In Abhängigkeit der Fahrgeschwindigkeit gibt es für ihn sog. Sicherheitsgrenzen. Bei normaler Stadtgeschwindigkeit werden in der Regel...

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