Rz. 105

OLG Naumburg[101]

Wenn sich der Versicherungsnehmer während des Führens eines mit Gefahrgutflüssigkeit beladenen Sattelzuges auf frostbedingt rutschiger Fahrbahn bei der Displayanzeige "durchdrehende Räder" unmittelbar vor dem Abkommen von der Fahrbahn eine Zigarette angezündet hat, hat er den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Der Versicherer ist unter diesen Umständen berechtigt, die Versicherungsleistung um 75 % zu kürzen.

 

Rz. 106

AG Hanau[102]

Kommt es zu einem Verkehrsunfall, weil der Fahrer eines Lkw sich bei einer Autobahnfahrt nach einer heruntergefallenen Zigarette bückt, um diese aufzuheben, und er deshalb einen an einer Baustelle notwendigen Fahrstreifenwechsel nicht ausführt, handelt er objektiv und subjektiv grob fahrlässig. Die Versicherung musste dem Versicherungsnehmer 25.000 EUR netto als Entschädigung zahlen. Sie nimmt den Fahrer berechtigterweise mit 5.000 EUR aus übergegangenem Recht gem. §§ 823 Abs. 1 BGB, 81 VVG in Regress. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei muss es sich auch in subjektiver Hinsicht um ein unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt. Nach ganz überwiegender Rechtsprechung handelt grob fahrlässig in diesem Sinne, wer – wie der Beklagte hier – sich während der Fahrt nach einer heruntergefallenen, brennenden Zigarette bückt. Allein das Rauchen im Auto ist sicherlich noch nicht grob fahrlässig. Jedoch sind an Raucher wegen der erhöhten Risiken des Rauchens während der Fahrt gesteigerte Anforderungen in Bezug auf die Sicherheit der Fahrzeugführung zu stellen. Sie müssen Vorkehrungen treffen, dass brennende Zigaretten oder Teile von Glut oder Asche nicht herunterfallen und Situationen schaffen können, auf die nicht mehr kontrolliert, sondern nur noch reflexartig reagiert werden kann.

[101] r+s 2010, 319.
[102] SVR 2010, 429 (LS) = Nugel, jurisPR-VerkR 22/2010 Anm. 3.

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