Rz. 153

Bei Wohnungswechsel geht der Versicherungsschutz automatisch auf die neue Wohnung über. Der Wohnungswechsel ist dem Versicherer zwar nach A § 11 Ziff. 4 VHB 2010 spätestens bei Umzugsbeginn unter Angabe der neuen Wohnfläche schriftlich anzuzeigen. Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht bei Wohnungswechsel ist aber nicht mit Sanktionen verbunden worden und damit sanktionslos, soweit nicht gleichzeitig eine Gefahrerhöhung (B § 9 VHB 2010) vorliegt. Der Umzug selbst ist keine relevante Gefahrerhöhung.[176]

 

Definition

Wohnungswechsel ist die Wahl bzw. Schaffung einer neuen Wohnung unter Aufgabe der bisherigen.

 

Rz. 154

Der Versicherungsnehmer verlegt durch den Wohnungswechsel seinen privaten Lebensbereich von der bisherigen Wohnung in die neue Wohnung. Der Versicherungsschutz begleitet nicht die versicherten Sachen, sondern die versicherte Wohnung. Für die Hausratversicherung gilt § 95 VVG, wonach in der Schadenversicherung bei Veräußerung der versicherten Sache der Versicherungsschutz auf den Erwerber übergeht, deshalb grundsätzlich nicht. Entsprechend ist der Wohnungswechsel nicht mit der bloßen Verlagerung des Hausrats zu verwechseln.

 

Rz. 155

 

Rechtsprechung

Wohnungswechsel bejaht, wenn der Versicherungsnehmer zu seiner Lebensgefährtin zieht und die bisherige Wohnung, in der noch Möbel zurückbleiben, in vollem Umfang einem Dritten überlässt, wobei die amtlichen Meldeverhältnisse ohne Bedeutung sind; bejaht auch bei von vornherein nur für einen vorübergehenden Zeitraum erfolgtem Einzug in die Wohnung des Lebensgefährten nach Aufgabe der eigenen Wohnung. Weil § 95 VVG für die Hausratversicherung grundsätzlich nicht gilt, liegt Wohnungswechsel und damit Übergang der Hausratversicherung auf die neue Wohnung des Versicherungsnehmers auch dann vor, wenn der Versicherungsnehmer seinen gesamten gewöhnlichen Hausrat veräußert und sich neuen anschafft. Teilt der Versicherungsnehmer dem Versicherer einen beabsichtigten Wohnungswechsel oder die Anmietung einer Zweit- oder Nebenwohnung mit und besteht die Gefahr des Verlustes von Versicherungsschutz, kann bei fehlender Belehrung über den Verlust des Versicherungsschutzes eine Haftung des Versicherers aus positiver Vertragsverletzung in ­Betracht kommen.[177]

Wohnungswechsel verneint, wenn eine an Alzheimer erkrankte Versicherungsnehmerin in den Haushalt ihrer Tochter aufgenommen wird, ohne dass sie ihre bisherige Wohnung mit Hausrat aufgibt.[178]

 

Rz. 156

Abgrenzungsfragen ergeben sich, wenn der Versicherungsnehmer mehrere Wohnungen (eigenständige oder Haupt- und Nebenwohnung) hat. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer während der Woche ständig an einem auswärtigen Arbeitsplatz tätig ist und sich dort eine Wohnung nimmt. Solange er an den Wochenenden zu seiner Familie zurückkehrt, liegt ein Wohnungswechsel nicht vor, weil die Familienwohnung als Lebensmittelpunkt nicht aufgegeben wird, selbst wenn der Versicherungsnehmer Teile des Hausrats in die während der Arbeitswoche genutzte Wohnung verbringt; für diese ist ein gesonderter Vertrag abzuschließen oder die bestehende Versicherung auf die Nebenwohnung zu erweitern. Ähnlich liegt es mit einer Ferienwohnung. Auch dann, wenn der Versicherungsnehmer sich dorthin begibt, liegt eine Aufgabe der Wohnung zu Hause nicht vor. Das gilt entsprechend, wenn der Versicherungsnehmer eine derartige, gesondert versicherte zweite Wohnung aufgibt; nur liegt dann, wenn an ihre Stelle keine andere Nebenwohnung tritt und der Versicherungsnehmer wieder allein seine Hauptwohnung bewohnt, kein Übergang der Hausratversicherung, sondern Wagniswegfall (des zusätzlichen oder erweiterten Versicherungsvertrages, § 80 VVG) vor.

 

Rz. 157

Trennen sich Eheleute und verlässt der Ehepartner, der Versicherungsnehmer ist, die bisherige Ehewohnung und gründet einen eigenen Hausstand, folgt die Hausratversicherung dem ausgezogenen Ehepartner in dessen neue Wohnung. Eheleuten sind nach A § 11 Ziff. 7 VHB 2010 eheähnliche Lebensgemeinschaften und Lebenspartnerschaften unter den dort genannten Voraussetzungen gleichgestellt.

Der in der bisherigen gemeinsamen Wohnung verbleibende Ehepartner muss selbst dann eine eigene Hausratversicherung abschließen, wenn ihm der gesamte Hausrat zurückgelassen wird. Um dadurch entstehende Deckungslücken zu schließen, erweitert A § 11 Ziff. 6 VHB 2010 den Versicherungsschutz für einen vorübergehenden Zeitraum. Bis zur Änderung des Versicherungsvertrages, längstens jedoch bis zum Ablauf von drei Monaten nach der nächsten, auf den Auszug des Versicherungsnehmers folgenden Prämienfälligkeit, besteht in der Hausratversicherung Versicherungsschutz sowohl in der bisherigen Ehewohnung als auch der neuen Wohnung des Versicherungsnehmers. Es entstehen mithin vorübergehend zwei Versicherungsorte.[179]

Nach A § 11 Ziff. 6 c VHB 2010 erlischt der Versicherungsschutz nach Ablauf der Übergangsfrist für beide Wohnungen. Auch wenn die Klausel klar und verständlich formuliert ist, begegnet die Regelung erheblichen Bedenken und erscheint ...

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