Rz. 1

Die Bestimmung des Gegenstandswertes kann zu dreierlei Zwecken notwendig werden. Zunächst ist für die anwaltliche Tätigkeit der Gebührengegenstandswert wichtig. Anhand dieses Gegenstandswertes werden die Satzrahmengebühren vor allem bei zivilrechtlichen Streitigkeiten bestimmt. Dabei ist "Gegenstandswert" der Oberbegriff, der außergerichtliche und gerichtliche Streitigkeiten betrifft. Nur im anhängigen Prozess ist von einem Streitwert die Rede.

 

Rz. 2

Weiterhin ist der Zuständigkeitsstreitwert von Bedeutung, da sich nach diesem die Zuständigkeit des Amts- oder Landgerichts ermitteln lässt. In Wohnraummietsachen und – teilweise WEG-Sachen – ist wegen § 23 Nr. 1a und 1c GVG regelmäßig das Amtsgericht ausschließlich zuständig, sodass dieser Streitwert eher in Gewerbe- und sonstigen Mietsachen ermittelt werden muss.

Darüber hinaus sind diverse Rechtsmittel erst ab einem bestimmten Gegenstandswert zulässig. Diese Beschwer gibt Auskunft darüber, wie hoch die Belastung einer Partei durch eine gerichtliche Entscheidung ist.

 

Rz. 3

Den Einstieg in die Berechnung des Zuständigkeitsstreitwertes und der Beschwer liefern regelmäßig die Vorschriften der ZPO. Finden sich dort keine passenden Regelungen, sind ergänzend das GKG und dann andere Gebührenvorschriften heranzuziehen.

 

Rz. 4

Der Gegenstandswert, der Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer werden stets aus der Perspektive des Anspruchsstellers bestimmt. Der Antragsteller bestimmt also das Interesse am Rechtsstreit.[1] Vor diesem Hintergrund ist es möglich, dass der Gebührenstreitwert in der ersten Instanz und Beschwer in der Berufung unterschiedliche Werte annehmen.

 

Beispiel:

Der Vermieter begehrt den Rückbau einer vom Mieter angebrachten Balkonverglasung. Das Bild des Wohnhauses ist damit nicht mehr einheitlich. In erster Instanz obsiegt er. Das Gericht bewertet das Interesse am Interesse der Herstellung des optischen Gesamteindruckes, also dem Beseitigungsinteresse, mit 500,00 EUR. Geht der Mieter hiergegen in Berufung, kann er einwenden, dass sein Erhaltungsinteresse sich nach den Kosten des Rückbaus und der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bemisst. Diese können leicht über 600,00 EUR liegen, sodass eine Berufung ohne weiteres zulässig wäre.

[1] OLG München, Beschl. v. 8.8.2016 – 34v AR 92/16, IMP-online, IMR 2017, 43.

I. Gebührengegenstandswert und Gebührenstreitwert

1. Ermittlung des Gebührenstreitwertes

 

Rz. 5

Die Bestimmung des Gegenstandswertes zur Berechnung der Anwaltskosten erfolgt durch die Trennung der Streitigkeiten nach gerichtlich durchsetzbaren Streitigkeiten – § 23 Abs. 1 RVG mit Verweis auf GKG und ZPO und nicht gerichtlich durchsetzbaren Streitigkeiten; § 23 Abs. 3 RVG mit Verweis auf GNotKG. Die Unterscheidung erfolgt schlicht nach der Frage, ob ein Anspruch durchgesetzt werden soll[2] oder eine anderweitige anwaltliche Tätigkeit vorliegt. Nur im Falle der Geltendmachung eines Anspruches, also des Rechtes von einem anderen, ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen, kann auch gerichtlich vorgegangen werden.

 

Beispiel:

Rechtsanwalt C. Lever wird beauftragt, nach Kündigung einer Mietwohnung ein Räumungsverfahren durchzuführen. Hier soll der Herausgabeanspruch der Wohnung durchgesetzt werden. Der Gegenstandswert errechnet sich für die gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeit nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 41 Abs. 1 GKG. Er beträgt ein Jahresnettoentgelt.

Sind sich die Parteien über die Beendigung des Mietverhältnisses aber schon einig und soll der Rechtsanwalt eine Aufhebungsvereinbarung treffen, so richtet sich der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V.m. § 99 GNotKG.

 

Rz. 6

Je nachdem wie der Gegenstandswert zu ermitteln ist, sind die Vorschriften des RVG, des GKG oder anderer Gesetze vorrangig zu behandeln. Da die Gegenstandswertermittlung regelmäßig sehr unübersichtlich ist, mag folgende Übersicht zur Orientierung dienen.

Gebührenstreitwert

Aus dieser unterschiedlichen Gewichtung folgt, dass der Gerichtskostenstreitwert in der Regel dem Anwaltskostenstreitwert entspricht, es sei denn, dass das RVG Spezialregeln enthält; z.B. die Reduzierung des Streitwertes auf 20 % des Forderungsbetrages[3] bei einer reinen Ratenzahlung nach § 31b RVG.

 

Beispiel:

Streitig ist die wirksame Kündigung eines für 10 Jahre abgeschlossenen Garagenmietvertrages zu einem Preis von monatlich 100,00 EUR. Streitig sind nur noch 6 Jahre.

Der Zuständigkeitsstreitwert bemisst sich nach § 8 ZPO und errechnet sich aus den Mietzahlungen der verbleibenden 6 Jahre (6 Jahre x 12 Monate x 100,00 EUR =) 7.200,00 EUR. Der Streitwert ist auf 25 Jahre gedeckelt.

Der Gebührenstreitwert für das Gerichtsverfahren errechnet sich nach § 41 Abs. 1 GKG und der Gebührenstreitwert für die Rechtsanwaltskosten über § 23 Abs. 1 S. 1 RVG auch nach § 41 Abs. 1 GKG. Hier ist der Streitwert auf den Jahresbetrag der streitigen Miete gedeckelt und beträgt damit (1 Jahr x 12 Monate x 100,00 EUR =) 1.200,00 EUR.

Wird der Rechtsanwalt beauftragt, einen Aufhebungsvertrag zu entwerfen, richten sich die Gebühren nach § 23 Abs. 3 RVG i.V.m. § 99 Abs. 1 und 2 GNotKG. Hier ist auch der ...

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