Rz. 191
Darunter werden Leistungsausfälle verstanden, die jeweils für sich genommen von kurzer Dauer sind und sich häufig wiederholen. Damit soll gegenüber der lang andauernden (vgl. Rdn 187) und dauernden Leistungsunfähigkeit (vgl. Rdn 186) abgegrenzt werden. Dementsprechend sind alle sich wiederholenden Leistungsausfälle ohne zeitliche Beschränkung gemeint. Wiederholte eintägige Erkrankungen fallen darunter ebenso wie mehr als sechswöchige Erkrankungen, die sich wiederholen.
Praxishinweis
Fehlzeiten, die bereits zur Begründung einer früheren krankheitsbedingten Kündigung herangezogen worden sind und in dem Vorprozess die negative Prognose noch nicht belegen konnten, können zur Begründung einer aktuellen negativen Gesundheitsprognose im Rahmen einer zweiten Kündigung erneut vorgetragen werden.
Rz. 192
Eine negative Gesundheitsprognose (erste Prüfungsstufe) kann bereits dann getroffen werden, wenn der über einen längeren Beobachtungszeitraum festgestellte Umfang der bisherigen Erkrankungen weitere entsprechende Krankheitszeiträume in der Zukunft indiziert. Im Allgemeinen ist bei bereits länger bestehenden Arbeitsverhältnissen von einem Beobachtungszeitraum auszugehen, der zwischen 15 und 24 Monaten betragen muss. Wenn das Arbeitsverhältnis erst seit relativ kurzer Zeit besteht, kann auch ein kürzerer Zeitraum ausreichend sein. Bei einer erst seit kurzem aufgetretenen Krankheit kann auf künftige Fehlzeiten geschlossen werden, soweit ein entsprechendes ärztliches Gutachten vorliegt. Weiter relevant ist, ob die Erkrankungen eine steigende, gleichbleibende oder fallende Tendenz aufweisen und ob sie mit einer gewissen Häufigkeit und Regelmäßigkeit auftreten. Unerheblich ist, mit welcher Dauer der Fehlzeiten aufgrund der anzustellenden Prognose künftig zu rechnen ist. Dies ist erst bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung in der zweiten Stufe (betriebliche Beeinträchtigung) und in der dritten Stufe (nicht mehr hinzunehmende Belastung) von Bedeutung. Bei herausgehobenen Positionen bzw. besonderen Funktionen können u.U. auch nur geringe Fehlzeiten eine Kündigung rechtfertigen. Von Interesse können in diesem Zusammenhang die durchschnittlichen krankheitsbedingten Fehltage sein. Laut dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen waren deren beschäftigte Mitglieder im Jahr 2021 durchschnittlich an 18,2 Tagen arbeitsunfähig erkrankt.
Rz. 193
Soweit die Indizwirkung der in der Vergangenheit aufgetretenen Fehlzeiten greift, hat der Arbeitnehmer nach § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb nach seiner Auffassung mit der Fortsetzung der Fehlzeiten in Zukunft gleichwohl nicht zu rechnen ist. Hat er selbst keine ausreichende Kenntnis über seinen Gesundheitszustand, genügt er seiner Mitwirkungspflicht, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbindet. Trägt er selbst konkrete Umstände vor, so müssen sie geeignet sein, die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten zu erschüttern. Der Arbeitnehmer braucht nicht den Gegenbeweis zu führen, dass mit weiteren künftigen Erkrankungen nicht zu rechnen sei.
Rz. 194
Praxishinweis
Der Arbeitnehmeranwalt wird, sofern aufgrund des Umfangs der Arbeitsunfähigkeitszeiten eine Indizwirkung besteht und der Arbeitgeber sich darauf beruft, eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, aus der sich ergibt, dass eine negative Gesundheitsprognose nicht besteht bzw. zukünftig nicht mehr mit erheblichen Fehlzeiten zu rechnen ist. Alternativ oder zusätzlich wird er vortragen, welche Krankheitszeiträume auf ausgeheilten, lang zurückliegenden oder einmaligen Ursachen beruhen und nicht mehr seit einem bestimmten Datum aufgetreten oder auf Betriebsunfälle zurückzuführen sind, die möglicherweise gar der Arbeitgeber verschuldet hat (hier bestehen ggf. nach § 326 Abs. 2 BGB Erfüllungsansprüche ohne die zeitliche Begrenzung des § 3 Abs. 1 EFZG, die in der Praxis nur selten beachtet werden).
Der Arbeitgeber sollte sich nicht auf die Indizwirkung der bisherigen Erkrankungen verlassen, da diese nach dem Vortrag des Arbeitnehmeranwalts leicht in sich zusammenfallen kann. Er wird vielmehr den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung auffordern, für alle von ihm in den letzten drei Jahren vor Ausspruch der Kündigung aufgezeichneten Entgeltfortzahlungszeiträume die Krankheitsursachen zu benennen. Kann der Arbeitnehmer keine Auskunft geben, muss er den Arzt diesbezüglich von der Schweigepflicht entbinden. Im Weigerungsfalle wird der Arbeitgeber eine Abmahnung erteilen und danach erneut auffordern und ggf. eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Im Übrigen sollte er bei zukünftigen Erkrankungen die Stelle festlegen, bei der sich der Arbeitnehmer krank zu melden hat und konsequent nach der Krankheitsursache fragen. Schließlich sollte er die Möglichkeit der Überprüfung der Krankheitsursachen durch einen Vertrauensarzt nutzen (vgl. dazu Rdn 190). Erst danach sollte eine negative G...