Rz. 9

Nach § 109 Abs. 1 GewO i.V.m. § 630 S. 4 BGB hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Zeugnisansprüche können sich auch auf der Grundlage tarifvertraglicher Ansprüche (vgl. u.a. § 35 TVöD) oder auf gesetzlicher Basis (vgl. § 92 BBG) ergeben. Nach der Neufassung des § 630 BGB steht auch Dienstverpflichteten, die selbstständige Arbeit verrichten, ein Zeugnisanspruch zu.

 

Rz. 10

Das Zeugnis muss nach § 109 Abs. 1 S. 2 GewO mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (sog. einfaches Zeugnis). Der Arbeitnehmer kann verlangen – er muss dies dann aber auch entsprechend umsetzen –, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken (sog. qualifiziertes Zeugnis). Nach § 109 Abs. 2 GewO muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Eine Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist gem. § 109 Abs. 3 GewO ausgeschlossen. Der Anspruch aus § 109 GewO, § 630 S. 4 BGB richtet sich gegen den Arbeitgeber, der zur Ausstellung des Zeugnisses verpflichtet ist. Wird ein Arbeitsverhältnis dabei vor Insolvenzeröffnung beendet, bleibt der Arbeitgeber grundsätzlich Schuldner des Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses.[7] Erlangt allerdings ein vorläufiger Insolvenzverwalter in vollem Umfang die Verfügungsbefugnis über die Arbeitsverhältnisse oder wird das Arbeitsverhältnis erst nach der Insolvenzeröffnung beendet, schuldet der Insolvenzverwalter das Arbeitszeugnis, unabhängig davon, ob und wie lange er den Arbeitnehmer beschäftigt hat oder eigene Kenntnisse über dessen Arbeitsleistung gewinnen konnte. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Insolvenzverwalter einen Auskunftsanspruch nach § 97 InsO gegenüber dem Schuldner.[8] Der Arbeitgeber kann sich dabei durch einen Betriebsangehörigen vertreten lassen. Der Bevollmächtigte muss allerdings dem Arbeitnehmer hierarchisch übergeordnet sein. Der Zeugnisanspruch besteht unabhängig von etwaigen fälligen Gegenansprüchen des Arbeitgebers. Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers kommt nicht in Betracht.[9] Bei der Zeugnisschuld handelt es sich um eine Holschuld i.S.v. § 269 Abs. 2 BGB.[10]

 

Rz. 11

Zu beachten ist, dass der Zeugnisanspruch tariflichen[11] und einzelvertraglichen Ausschlussfristen[12] unterliegt. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage wahrt die Ausschlussfrist nicht. Der Zeugnisanspruch unterliegt auch den allgemeinen Regeln der Verwirkung, wobei diese nach der Rspr. bereits nach zehn Monaten eingetreten sein kann.[13] Das Zeugnis ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erteilen.[14] Aus der Sicht des Arbeitnehmers, der die Auffassung vertritt, die ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, kann es sich auch anbieten, zunächst ein Zwischenzeugnis (ggf. als Hilfsantrag ein Endzeugnis) zu verlangen. Ein Zwischenzeugnis ist jedenfalls dann zu erteilen, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt.[15] Dieses ist in jedem Fall dann zu bejahen, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Raume steht oder bereits durch Ausspruch einer Kündigung herbeigeführt wurde. Entschließt sich der Arbeitnehmer zur Geltendmachung eines Zwischenzeugnisses, sollte dies entsprechend in den Klageantrag aufgenommen werden. Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere Zeugnisform und Zeugnisinhalt, auf die entsprechende Spezialliteratur verwiesen.

 

Rz. 12

Aus prozessualer Sicht ist danach zu unterscheiden, ob der Arbeitgeber überhaupt kein Zeugnis erteilt hat. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer den Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG vor dem Arbeitsgericht geltend machen.

 

Rz. 13

 

Formulierungsbeispiel

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zeugnis über Art und Dauer der Beschäftigung im Arbeitsverhältnis zu erteilen (einfaches Zeugnis).

Oder:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Zeugnis über Art und Dauer der Beschäftigung im Arbeitsverhältnis zu erteilen, das sich auch auf Führung und Leistung erstreckt (qualifiziertes Zeugnis).

 

Rz. 14

Hat der Arbeitgeber hingegen bereits ein Zeugnis erteilt, welches nach Auffassung des Arbeitnehmers nicht den formellen und materiellen Anforderungen, die nach der Zeugnisrechtsprechung des BAG zu erfüllen sind, entspricht, dann hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Berichtigung, der – wohl überwiegend – als Erfüllungsanspruch beurteilt wird. Danach richtet sich der Anspruch regelmäßig auf Neuerteilung des Zeugnisses; eine Korrektur reicht nicht aus. Dieser Zeugnisberichtigungsanspruch besteht, wenn das Zeugnis unvollständig oder unrichtig ist und/oder gegen die Zeugnisgrundsätze des BAG verstößt. Insoweit ist zu bedenken, dass der Berichtigungsanspruch nur unter Berücksichtigung des dem Arbeitgeber zustehenden Beurteilungsspielraums bei de...

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