Rz. 144

Größere Schwierigkeiten bezüglich der Testiermöglichkeit können sich bei sog. Mehrfachbehinderungen[166] ergeben. So führte bis zum Beschluss des BVerfG vom 19.1.1999[167] eine bestimmte Kombination von Behinderungen zu einer "faktischen" Testierunfähigkeit. Dies war z.B. bei einem stummen und zugleich schreibunfähigen (§ 2233 Abs. 3 BGB a.F., § 31 BeurkG a.F.) oder aber auch bei stummen und leseunfähigen (§ 2233 Abs. 2 BGB a.F.) Menschen der Fall. In der Praxis kommen Fälle der Schreib- und Sprechunfähigkeit bei gleichzeitig klarem Bewusstsein nach schweren Unfällen und auch nach Schlaganfällen vor.

 

Rz. 145

Der Beschluss des BVerfG vom 19.1.1999 machte die Novellierung des Rechts zur Testierfähigkeit Mehrfachbehinderter und des Beurkundungsrechts erforderlich. Nach der Rechtsprechung durfte in den Fällen, in denen Gebärden des Testierenden wegen Krankheit oder Schwäche ein eher unzuverlässiges Kriterium waren und die Sprechfähigkeit verloren gegangen war, nicht mehr auf das Erfordernis einer mündlichen oder schriftlichen Erklärung abgestellt werden, wie dies in §§ 2232, 2233 BGB, § 31 BeurkG vorgesehen war. Die Gesetzesnovellierung aus dem Jahr 2002 passte deshalb § 2232 BGB insofern an, als auf das zwingende Erfordernis der Mündlichkeit der Erklärung verzichtet worden ist.

 

Rz. 146

§§ 22, 24 BeurkG bedurften ebenfalls der Anpassung. § 31 BeurkG wurde ganz gestrichen. Der Begriff "Vertrauensperson" führte insoweit zu praktischen Schwierigkeiten, als der Notar bei schreib- und sprechunfähigen Personen – vor allem in Eilfällen – nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit feststellen konnte, ob ein Vertrauensverhältnis zum Testator bestand. Um zu vermeiden, dass das Bestehen einer Vertrauensbeziehung zu Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen führt, wird nunmehr in § 24 BeurkG die Vertrauensperson als eine Person beschrieben, die sich mit dem Beteiligten zu verständigen vermag und mit dessen Zuziehung er einverstanden ist. Dies werden in den meisten Fällen Angehörige oder dem Testator sonst nahestehende Personen sein.

[166] Vgl. hierzu Rossak, ZEV 1995, 236; Ertl, MittBayNot 1991, 196.

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