Rz. 61

Das Gericht kann nach § 142 Abs. 1 ZPO – ggf. unter Fristsetzung – von Amts wegen die Vorlage einer Urkunde durch eine Partei oder einen Dritten, bei dem sich die Urkunde befindet, anordnen, wenn sich eine der Parteien auf die Urkunde im Prozess bezogen hat. Die Pflicht gilt für den Dritten jedoch nicht, wenn es ihm unzumutbar ist oder wenn ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.[76] Zwangsmittel stehen gegenüber dem Dritten wie gegenüber einem Zeugen zur Verfügung.[77]

 

Rz. 62

Bedeutung kommt der Vorschrift in Erbenfeststellungsprozessen in Bezug auf Schriftstücke zu, die Testamentsqualität haben können, beispielsweise ein eigenhändig geschriebener Brief. Allerdings sind an die Feststellung, dass ein Brief vom Erblasser mit ernstlichem Testierwillen verfasst worden ist, strenge Anforderungen zu stellen.[78]

 

Rz. 63

Gleiches gilt für die Patientenakte eines Arztes zu Fragen der Testierfähigkeit. Das Gericht kann einem Arzt aufgeben, seine Patientenakte über den Erblasser vorzulegen. Nach der Rechtsprechung des BGH steht dem Arzt im Grundsatz kein Zeugnisverweigerungsrecht zu, weil er als von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden angesehen werden kann.[79]

 

Rz. 64

Dritter kann auch eine Bank sein, die für den Prozess wichtige Kontounterlagen wenigstens in der Form von Mikrofilmen besitzt.

 

Rz. 65

Nach § 144 Abs. 1 ZPO kann die Herausgabe von Urkunden nicht nur durch eine Partei, sondern auch durch einen Dritten zum Zwecke der Durchführung der Beweisaufnahme angeordnet werden. Dies ist bspw. bei einem Streit um die Formgültigkeit eines privatschriftlichen Testaments (§ 2247 Abs. 1 BGB) relevant, weil für die Erstellung eines kriminaltechnischen bzw. grafologischen Gutachtens Vergleichsschriften von Bedeutung sind.[80]

[76] Vgl. ausf. Frühauf/Kortge, Das Zivilprozessreformgesetz, Beilage NJW 2000 Heft 40; Krug, ZEV 2002, 58.
[77] Vgl. dazu auch BayObLG ZEV 2002, 154.
[78] KG Rpfleger 2004, 44 = FamRZ 2004, 736 = ZEV 2004, 380. Zur Beweiskraft eines grafologischen Sachverständigengutachtens vgl. LG Duisburg, Beschl. v. 17.10.2011 – 7 T 91/10, NJW-Spezial 2012, 7 = ZEV 2012, 659.
[79] BGHZ 91, 392 = FamRZ 1984, 994 = NJW 1984, 2893.
[80] Vgl. dazu auch BayObLG ZEV 2002, 154.

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