Rz. 1

Die Praxis zeigt, dass in vielen erbrechtlichen Beratungen der Verdacht strafrechtlich relevanten Verhaltens von einer Partei erhoben wird. Nicht eben selten sind Fälle, in denen noch am Tag des Erbfalles Angehörige dabei ertappt werden, wie sie Vermögensgegenstände aus der Wohnung des Erblassers zu sichern suchen; auch scheint es angesichts der immer älter werdenden Erblasser nicht mehr ungewöhnlich zu sein, Testamente gewissermaßen auf Vorrat aufsetzen zu lassen, um bei Erblassern, deren Testierfähigkeit in Frage steht, mit den (nota bene gleichlautenden und ihn gleichermaßen begünstigenden) "Vorratstestamenten" einerseits diesen Einwand zeitlich auszuhebeln und andererseits möglichst das jüngste Testament in den Händen zu halten.

Derartig auffälliges Verhalten wirft regelmäßig im Rahmen der Beratung die Frage nach einer "flankierenden" Strafanzeige auf, wobei die Neigung, insbesondere Angehörige anzuzeigen, regelmäßig zunächst gering ausgeprägt ist und sich oft erst im Laufe des Verfahrens steigert. Da im Strafverfahren jedoch der Amtsermittlungsgrundsatz gilt und im Ermittlungsverfahren mittels Durchsuchung und Beschlagnahme(kostenfrei) Beweise und auch Vermögen gesichert werden können, wird die Strafanzeige nicht nur als ultima ratio in Betracht gezogen.

Um den gewünschten Erfolg zu erreichen, muss die Strafanzeige deshalb möglichst plausibel den Anfangsverdacht einer Straftat darlegen. Dieser ist für die Einleitung des Strafverfahrens und insbesondere auch für Durchsuchungsbeschlüsse und anschließende Beschlagnahme conditio sine. Der Anzeigenerstatter hat somit darzulegen, dass aufgrund kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht, dass der Angezeigte eine Straftat begangen haben kann.[1]

 

Rz. 2

Versucht der Miterbe somit in derartigen Fallkonstellationen Straftaten anderer Mitglieder der Erbengemeinschaft aufzudecken, ist bei der steuerstrafrechtlichen Beratung innerhalb der Erbengemeinschaft regelmäßig ein ganz anderer Ausgangspunkt maßgebend: Hier gilt es gerade zu verhindern, dass steuerstrafrechtliche Verfehlungen des Erblassers auf die Erben und deren (strafrechtliche) Verantwortlichkeit durchschlagen. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft sind grundsätzlich gesetzlich verpflichtet, unrichtige Steuererklärungen des Erblassers zu berichtigen. Wird dies (vorsätzlich) versäumt, ist die Grenze zur Strafbarkeit für die Miterben überschritten und es bleibt nur noch der Weg über die (strafbefreiende) Selbstanzeige. Hier kommt es regelmäßig zu strukturellen Problemen innerhalb der Erbengemeinschaft; die erheblichen Risiken sind im Rahmen der Beratung aufzuzeigen, gerade wenn einzelne Mitglieder der Erbengemeinschaft es nicht für notwendig erachten, den straffreien Weg einzuschlagen. Besonders pikant wird die Beratung, wenn sich angesichts des kontaminierten Erbes Mitglieder der Erbengemeinschaft oder sonstige Angehörige an den Taten des Erblassers beteiligt hatten.[2] Der ohnehin vielfach bei komplexen Vermögensstrukturen oder persönlichen Animositäten streitanfälligen[3] Erbengemeinschaft wohnt in solchen Konstellationen eine besondere Sprengkraft inne.

Im Übrigen gilt es Folgendes zu bedenken:

 

Rz. 3

Auch die einfache gewerbsmäßig begangene Steuerhinterziehung ist seit 10 Jahren[4] als Vortat im Katalog des Geldwäschetatbestandes § 261 Abs. 1 S. 3 StGB erfasst.[5] Gleichermaßen muss bei einer Bewertung der Risiken innerhalb der Erbengemeinschaft als potentieller "Hinterziehungsgemeinschaft"auch die Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2.5.2010[6] mit ihren ersten Einschränkungen der strafbefreienden Selbstanzeige einbezogen werden; diese wurden nicht zuletzt aufgrund zahlreicher prominenter – auch gescheiterter – Selbstanzeigefälle[7] durch den Gesetzgeber aufgenommen und führten zu einer noch stärkeren Beschränkung des Instituts der Selbstanzeige. So wurde mit dem sog. Schwarzgeldbekämpfungsgesetz[8] im Jahre 2011 die vom Bundesgerichtshof begonnene Einschränkung durch den Gesetzgeber kurzfristig umgesetzt. Mit dem Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung vom 22.12.2014[9] wurden die Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige in der Folge weiter beschränkt. Mit diesen gesetzgeberischen Maßnahmen korrespondieren die Versuche, mit möglichst vielen Staaten Informationsaustausch zu betreiben, um den immer zahlreicher werdenden Ankauf von Datenmengen über zwielichtige Datenhändler zukünftig zu vermeiden. Die in der Vorauflage befürchtete Entwicklung, dass dieses seit sechs Jahrzehnten in die Abgabenordnung implimentierte Rechtsinstitut weiter abgeschmolzen werden könnte – letztlich in Verkennung des gesetzgeberischen Motivs dieses Rechtsinstituts (vgl. Rdn 109) – ist damit eingetreten. Deshalb müssen auch insoweit die erhöhten strafrechtlichen Risiken der Erben und die jeweiligen Verantwortlichkeiten ausgelotet werden.

 

Rz. 4

Bei der Beratung der Erbengemeinschaft ist zwischen den möglichen strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen im Verhältnis der Mitglieder untereinander (siehe Rdn 43 ...

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