I. Anspruchsvoraussetzungen

 

Rz. 1

Grundvoraussetzung dafür, dass dem Vollmachtgeber oder dessen Rechtsnachfolger Ansprüche nach § 666 BGB zustehen, ist das Bestehen eines Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 675 BGB) oder eines Auftragsverhältnisses (§§ 662 ff. BGB), das der Vollmachtserteilung als Grundverhältnis zugrunde liegt. Im Falle einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung ist die Qualifizierung des Grundverhältnisses i.d.R. unproblematisch. Ist der Bevollmächtigte aber – was bei Vorsorgevollmachten regelmäßig der Fall sein dürfte – unentgeltlich tätig geworden, ist zu prüfen, ob ein Auftragsverhältnis oder lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt.[1] Ist Letzteres der Fall, schuldet der Bevollmächtigte weder Auskunft noch Rechnungslegung. Die Qualifizierung des Grundverhältnisses als Auftragsverhältnis oder als Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen erfolgt im Wege der Auslegung im konkreten Einzelfall nach Treu und Glauben unter Rücksicht auf die Umstände und die Verkehrssitte.[2]

Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat.[3]

Bei der Erteilung einer umfassenden Vorsorgevollmacht wird in der Regel nicht von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis, sondern von einem Auftragsverhältnis auszugehen sein.[4] Auch bei bevollmächtigten Kindern ist i.d.R. von einem Auftragsverhältnis auszugehen, da ein Rechtsbindungswille nur in Ausnahmefällen und "bei größter Zurückhaltung" verneint werden kann.[5] Allein das Bestehen eines verwandtschaftlichen Verhältnisses reicht für die Verneinung des Rechtsbindungswillens nicht aus.[6]

[1] Zur Abgrenzung Auftrag/Gefälligkeit ausführlich Horn/Schabel, NJW 2012, 3473 f.; siehe auch § 11 in diesem Werk.
[4] OLG Schleswig, Urt. v. 18.3.2014 – 3 U 50/13, ErbR 2014, 347, Rn 21 mit Verweis auf OLG Brandenburg, Urt. v. 19.3.2013 – 3 U 1/12, BeckRS 2013, 6305 Rn 82; Grüneberg/Götz, Einf. v. § 1896 a.F. Rn 6.
[5] OLG Schleswig, Urt. v. 18.3.2014 – 3 U 50/13, ErbR 2014, 347, Rn 21 mit Verweis auf OLG Brandenburg, Urt. v. 19.3.2013 – 3 U 1/12, BeckRS 2013, 6305 Rn 82; Horn/Schabel, NJW 2012, 3473, 3474.

II. Anspruchsinhalt

 

Rz. 2

Gemäß § 666 BGB ist der Beauftragte verpflichtet,

1. dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben
2. auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und
3. nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.

Die Regelung enthält somit drei Varianten, nämlich die Benachrichtigung auf Verlangen, die Auskunftserteilung und die Rechnungslegung nach Beendigung des Auftrags.

Rechtsdogmatisch handelt es sich nur bei den Varianten 2 und 3 (Auskunft und Rechnungslegung) um einklagbare Ansprüche, während es sich bei § 666 Var. 1 BGB (Benachrichtigung) um eine reine Obliegenheit des Schuldners handelt, bei deren Verletzung und einem dadurch schuldhaft verursachten Schaden der Beauftragte auf Schadensersatz haftet.[7]

[7] MüKo-BGB/Schäfer, § 666 Rn 22.

1. Anspruch auf Auskunft gem. § 666 Var. 2 BGB

 

Rz. 3

Die nach § 666 Var. 2 BGB geschuldete Auskunft kann nach h.M. nur verlangt werden, wenn der Auftraggeber ein berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung hat, welches aber grundsätzlich zu vermuten ist. Das "berechtigte Interesse" ist somit ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal und entscheidend für die Zulässigkeit des Auskunftsverlangens.[8] Liegt ein berechtigtes Interesse vor, kann der Auftraggeber nicht nur während der Auftragsausführung, sondern auch danach Auskunft vom Auftragnehmer verlangen, soweit der Auskunftsanspruch nicht durch ordnungsgemäße Rechenschaft nach § 666 Var. 3 BGB erfüllt und deshalb erloschen sein sollte.[9] Dem berechtigten Interesse des Vollmachtgebers oder dessen Rechtsnachfolgers steht nicht entgegen, dass er sich bei anderen Stellen, wie etwa Banken, Auskünfte selbst beschaffen kann.[10]

 

Rz. 4

Der Beauftragte hat dem Auftraggeber während der Auftragsausführung nur auf Anforderung Auskunft zu erteilen. Es handelt sich insoweit um einen verhaltenen Anspruch.[11] Die dreijährige Regelverjährungsfrist (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB)[12] beginnt nach Rechtsprechung des BGH[13] frühestens mit Beendigung des Auftragsverhältnisses, nach wohl h.M. in der Literatur (analog § 604 Abs. 5 BGB i.V.m. Abs. 3, § 695 S. 2 BGB, § 696 S. 2 BGB) erst mit Geltendmachung des Anspruchs.[14] In der Praxis werden Auskunft (und Rechnungslegung) häufig erst durch die Erben des Vollmachtgebers geltend gemacht. Vorsorgevollmacht (und das ihr zugrunde liegende Auftragsverhältnis) erlöschen aber i.d.R. nicht schon durch den Tod des Vollmachtgebers, da gerade Vorsorgevollmachten häufig ausdrücklich regeln, dass sie über den Tod des Vollmachtgeber...

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