aa) Keine Klageobliegenheit

 

Rz. 58

Das BAG stellt ausdrücklich klar, dass für einen Arbeitnehmer weder eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht noch eine entsprechende Obliegenheit besteht, gegen eine Abmahnung klageweise vorzugehen. Sofern der Arbeitnehmer davon absehe, die Berechtigung einer Abmahnung gerichtlich klären zu lassen, so ist es ihm unbenommen, in einem späteren Kündigungsschutzprozess die Richtigkeit der abgemahnten Pflichtwidrigkeit zu bestreiten und auf diese Weise der Kündigung die Grundlage zu entziehen (BAG v. 13.3.1987 – 7 AZR 601/85, NZA 1987, 518 = DB 1987, 1494).

 

Rz. 59

Da dem Arbeitnehmer keine Nachteile dadurch erwachsen, dass er nicht gegen eine Abmahnung gerichtlich vorgeht, ist es dem Arbeitnehmer zu empfehlen, keine rechtlichen Schritte gegen die Abmahnung einzuleiten. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass das bestehende Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch eine Klage weiter belastet wird. Hinzu tritt Folgendes: Sofern der Arbeitgeber die Abmahnung dazu benutzt, eine folgende Kündigung vorzubereiten und tatsächlich einige Zeit später eine Kündigung ausgesprochen wird, so wird in dem Kündigungsschutzprozess die Rechtmäßigkeit der Abmahnung inzident überprüft. Sofern sich diese Abmahnung als unrechtmäßig erweisen sollte, ist auch die Kündigung mangels vorangegangener rechtmäßiger Abmahnung nicht gerechtfertigt. Wäre der Arbeitnehmer bereits gegen die Abmahnung zu Felde gezogen, hätte dies dazu geführt, dass der Arbeitnehmer zwar den Abmahnungsprozess gewonnen hätte, der Arbeitnehmer hätte dem Arbeitgeber jedoch vor Augen geführt, dass dieser neues Material für eine Abmahnung benötige, damit sodann die folgende Kündigung besser vorbereitet werden kann (Kleinebrink, FA 2006, 196).

bb) Gegendarstellung, Beschwerderecht

 

Rz. 60

Falls der Arbeitnehmer nicht bereit sein sollte, die Abmahnung unbeantwortet zu lassen, ist es ihm möglich, eine Gegendarstellung mit dem Verlangen zu fertigen, sie zu den Personalakten zu nehmen. Das Recht zur Gegendarstellung ist für den mitbestimmten Betrieb explizit in § 83 Abs. 2 BetrVG geregelt, im nicht bestimmten Betrieb folgt eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 242 BGB (Schaub/Linck, ArbRHB, § 132 Rn 30).

 

Rz. 61

Überdies steht dem Arbeitnehmer im mitbestimmten Betrieb das Recht zu, sich gem. § 84 BetrVG über die erteilte Abmahnung zu beschweren. Der Betriebsrat kann gem. § 85 Abs. 1 BetrVG die Beschwerde aufgreifen und beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinwirken.

cc) Klage gegen die Abmahnung

 

Rz. 62

Sofern sich der Arbeitnehmer jedoch dazu entschließt, gegen die Abmahnung vorzugehen, kann der Arbeitnehmer gerichtlich die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus seinen Personalunterlagen verlangen (BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965 = DB 2002, 1507). Bei diesem Anspruch handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht des betroffenen Arbeitnehmers, so dass dem Betriebsrat kein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines Betriebsratsmitgliedes zusteht (BAG v. 4.12.2013 – 7 ABR 7/12, juris).

(1) Klageantrag

 

Rz. 63

Zur Disposition stehen Feststellungs- oder Leistungsantrag auf Entfernung und Rücknahme der Abmahnung. Im Fall einer schriftlichen Abmahnung lautet der richtige prozessuale Antrag wie folgt:

 

Rz. 64

Muster 21.2: Klageantrag

 

Muster 21.2: Klageantrag

Der Arbeitgeber wird verurteilt, die Abmahnung vom _________________________ ersatzlos aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

 

Rz. 65

Der Antrag auf Rücknahme einer Abmahnung ist an sich der umfassendere Antrag, bereitet aber prozessuale Auslegungsschwierigkeiten. Der Antrag, die Abmahnung zurückzunehmen, kann auf Abgabe einer entsprechenden Erklärung des Arbeitgebers gerichtet sein, die gem. § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO als abgegeben gilt, sobald das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Wird der Antrag auf Rücknahme zusätzlich neben dem Antrag auf Entfernung der Abmahnung gestellt, kann darin auch ein Widerrufsverlangen erblickt werden. Für den Anspruch auf Widerruf müssen besondere Voraussetzungen vorliegen: Die Zivilgerichte bejahen bei ehrkränkenden Kundgebungen einen quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 BGB in Form eines Widerrufsanspruches, wenn ein dauernder Störungszustand besteht, der aus der Sicht des Verletzten eine ständig fortwirkende Schädigung und Ehrverletzung darstellt. Der Widerruf muss notwendig und geeignet sein, den Störungszustand zu beseitigen (BGH v. 19.12.1960 – GSZ 1/60, NJW 1961, 658 = BB 1961, 266). Diese besonderen Voraussetzungen können im Arbeitsverhältnis erfüllt sein, wenn der Arbeitgeber sich nicht darauf beschränkt, eine Abmahnung zur Personalakte zu geben, sondern bspw. die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers durch Aushang oder auf andere Weise allgemein im Betrieb bekannt gibt.

 

Rz. 66

 

Beispiel (nach BAG v. 21.2.1979 – 5 AZR 568/77, DB 1979, 1513)

Der Arbeitgeber verfasst ein Rundschreiben oder einen Aushang folgenden Inhalts:

Wegen grober Beleidigung des Filialleiters und Entwendung von Fleischwaren wurde der Mitarbeiter A. fristlos entlassen.

 

Rz. 67

Lässt sich der Diebstahlsvorwurf nicht nachweisen,...

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