[Autor] Pestke

a) Begriffsbestimmung

 

Rz. 1177

→ Direktionsrecht (Rdn 530 ff.), → Fürsorgepflicht (Rdn 835 ff.).

Mobbing ist eine aus dem englischen Verb "to mob" (über jemanden herfallen, anpöbeln, attackieren, angreifen) entlehnte Wortschöpfung zur Beschreibung einer sozialen Aggression als auch eine Form der emotional geleiteten Konfliktbewältigung. Mobbing ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine Anspruchsgrundlage, vielmehr muss geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung i.S.d. § 826 BGB begangen hat.

 

Rz. 1178

Bei Mobbing am Arbeitsplatz handelt es sich ganz allgemein um Verhaltensweisen in der Arbeitswelt, durch welche eine Erschwerung der für die Persönlichkeitsentfaltung und die Einhaltung der Menschenwürde maßgeblichen Arbeitsbedingungen oder der sachwidrige Einsatz dieser Arbeitsbedingungen als Mittel der Zermürbung und Entwürdigung zulasten von Beschäftigten erfolgt. In Betracht kommen dabei insb. auf die Psyche des Mobbingopfers wirkende Schikanen, Diskriminierungen und sonstige Angriffe. Bei Mobbing durch oder von Vorgesetzten oder unter gleichgeordneten Arbeitskollegen spielen oft Neid, Missgunst, Angst um den eigenen Arbeitsplatz, bedingungsloses Karrierestreben, als nicht ausreichend erachtete soziale Anpassung des Mobbingopfers, aber auch schlicht sadistische oder rassistische Motive eine Rolle. Mobbing kann als "Politik der kleinen Nadelstiche" bezeichnet werden (vgl. LAG Hamm v. 6.3.2006, FA 2006, 281), wenn erst in einer Gesamtschau das Maß, das am Arbeitsplatz hingenommen werden kann, über einen längeren Zeitraum überschritten wird.

 

Rz. 1179

Zur Beschreibung des Mobbingphänomens werden weitere Begriffe verwendet: "Bossing" beschreibt das Mobbing durch einen Vorgesetzten. Die Zielsetzung lieg i.d.R. darin, den Arbeitnehmer unter Umgehung arbeitsrechtlicher Kündigungsnormen zur freiwilligen Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu bewegen oder eine anders nicht oder nur schwer durchführbare inhaltliche Abänderung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen. "Staffing" sind Schikanen von Mitarbeitern gegen Vorgesetzte. Durch neue Kommunikationsmittel und -foren sind weitere Mobbingfacetten entstanden. Beim "Online-Mobbing" oder "Cyberbullying" werden Bilder und Videoszenen mit den Betroffenen im Internet veröffentlicht. Das "Onlinestellen" von mit kleinen Kameras oder Handys gefilmten Szenen mag noch als bloßer Streich unter Kollegen hingenommen werden. Hingegen sind Videomontagen, die (fiktive) Hinrichtungs- und Pornoszenen mit dem Gesicht des Gemobbten zeigen, geeignet, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zu verletzten (vgl. Beck, MMR 2008, 77 m.w.N.).

b) Definitionsversuche

 

Rz. 1180

In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionsversuche zum Mobbing. Keine von diesen Begriffsbestimmungen ist eine abschließende Legaldefinition dessen, was Mobbing ist und welche Ausprägungen von ihr erfasst werden, bedingt durch die Fantasie des Mobbenden und der sich laufend verändernden Arbeitswelt.

 

Rz. 1181

Die von Leymann (Mobbing, S. 14 f.) aufgestellte arbeitswissenschaftlich geprägte Definition besagt, dass Mobbing eine konfliktbeladene Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden werden kann, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.

 

Rz. 1182

Das BAG unterbreitete bereits 1997 eine erste Definition (BAG v. 15.1.1997, BAGE 85, 56, 58). Danach ist Mobbing das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.

 

Rz. 1183

Das LAG Thüringen (v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 577; v. 10.4.2001, NZA-RR 2001, 347) entwickelte die begrifflichen Vorgaben des BAG fort. Danach werden als Mobbing im arbeitsrechtlichen Verständnis Verhaltensweisen erfasst, die in fortgesetzter, aufeinander aufbauend oder ineinander übergreifende Weise Anfeindungen, Schikane oder Diskriminierung dienen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen, verletzen. Dabei ist ein vorgefasster Plan nicht erforderlich. Eine Fortsetzung des Verhaltens unter schlichter Ausnutzung der Gelegenheiten ist ausreichend (ebenso Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 371). Das LAG Hamm (2.9.2011 – 7 Sa 724/11) sieht einen Mobbinganspruch nur gegeben, wenn Verhaltensweisen, die für sich gesehen den Boden rechtmäßigen Verhaltens nicht verlassen, in ihrer Gesamtschau zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führen, weil sie aufgrund der ...

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