Rz. 47

Ein Verschulden anderer Personen wird der Partei dabei grundsätzlich nicht zugerechnet. § 278 BGB findet insoweit keine Anwendung.[91]

Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn es sich bei der anderen Person um einen Vertreter handelt. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 51 Abs. 2 ZPO für die nicht prozessfähige und gesetzlich vertretene Partei und aus § 85 Abs. 2 ZPO für den Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten der Partei. Gerade im Hinblick auf den in diesem Werk maßgeblichen Zivilprozess kehrt sich die Grundregel also kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung um.

 

Rz. 48

Hat die Partei für das Verschulden ihres Vertreters einzustehen, so steht ihr eine Exkulpationsmöglichkeit nicht zu. Dabei ist zu beachten, dass unter die Regelung des § 85 Abs. 2 ZPO nicht nur der eigentliche bestellte Prozessbevollmächtigte fällt, sondern auch[92]

der Generalbevollmächtigte,[93]
der Verkehrsanwalt,[94]
der Unterbevollmächtigte,[95]
der angestellte Rechtsanwalt, soweit ihm die juristische Tätigkeit zur selbstständigen Erledigung übertragen ist,
der Sozius einer Außensozietät, soweit dieser bei dem Gericht zugelassen ist, bei dem die Frist zu wahren ist,[96] dies auch dann, wenn im Innenverhältnis lediglich eine Bürogemeinschaft besteht,[97]
jede andere für den Prozess bevollmächtigte Person, auch wenn es sich nicht um einen Rechtsanwalt handelt,
der Haftpflichtversicherer aufgrund der Vollmacht nach Teil E 1.2 AKB 2015.
 

Rz. 49

Hat die Partei in diesem Sinne mehrere Vertreter, so scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon dann aus, wenn nur einer der Vertreter schuldhaft gehandelt hat. Gegen diesen muss sich die Partei dann im Wege des Regresses wenden. Andererseits kommt eine Zurechnung des Verschuldens nicht mehr in Betracht, wenn das Mandatsverhältnis wirksam gekündigt ist.[98]

 

Rz. 50

 

Hinweis

Der nach § 138 FamFG (früher § 625 ZPO a.F.) in einer Scheidungssache gem. § 138 Abs. 2 FamFG (früher § 625 Abs. 2 ZPO a.F.) als Beistand beigeordnete Rechtsanwalt ist kein Prozessbevollmächtigter, so dass für diesen § 85 Abs. 2 ZPO keine Anwendung findet, sofern die Partei ihm über die Beiordnung hinaus keine Prozessvollmacht erteilt hat. Dies hat zwei Folgen:

Zustellungen haben weiterhin an die Partei selbst zu erfolgen,[99] so dass Zustellungen an den Rechtsanwalt als Beistand nicht zum Lauf gesetzlicher oder gerichtlicher Fristen führen, mithin eine Wiedereinsetzung mangels Fristversäumung nicht erforderlich ist.
Ein schuldhaftes Verhalten des Beistands wird der Partei mangels Zuweisungsnorm (§ 85 Abs. 2 ZPO) nicht zugerechnet, so dass eine Wiedereinsetzung im Übrigen zu gewähren ist, wenn die Partei selbst nicht schuldhaft gehandelt hat, etwa ein ihr zugestelltes und eine Frist auslösendes gerichtliches Schriftstück unmittelbar dem Beistand zur weiteren Veranlassung übergeben hat.
 

Rz. 51

 

Praxistipp:

Der Rechtsanwalt sollte jede Möglichkeit zur Fristenkontrolle auch unmittelbar nutzen. Teilweise wird dies auch von der Rechtsprechung verlangt. So muss der Rechtsanwalt bei der Vorlage der Handakte zur Einlegung der Berufung zugleich prüfen, ob die Berufungsbegründungsfrist zutreffend notiert wurde.[100]

[91] BayVGH, NJW 2013, 3113; Zöller/Greger, § 233 Rn 16.
[92] Vgl. Zöller/Althammer, § 85 Rn 2: § 85 ZPO betrifft den rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten im Gegensatz zum gesetzlichen Vertreter.
[93] BGH VersR 1985, 1186.
[95] BGH VersR 1984, 239; BFH, Beschl. v.11.5.1988 – II B 8/88 –, juris; allgemein für den Untervertreter: BFH, Beschl. v. 11.5.1988 – II B 8/88 –, juris.
[96] BGH NJW 1997, 3177.
[98] BGH VersR 1992, 378; BSG, Beschl. v. 17.6.2009 – B 6 KA 72/07 B –, juris.

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