I. Zweck

 

Rz. 218

Der Erbe kennt im Allgemeinen bei Eintritt des Erbfalls weder sämtliche Aktiva noch sämtliche Passiva des Nachlasses. Vor allem von der Höhe der Nachlassverbindlichkeiten hängt sein Risiko ab, ob er möglicherweise mit seinem eigenen Vermögen über den Nachlass hinaus haftet.

 

Rz. 219

Um zuverlässig abklären zu können, welche Gläubiger Forderungen gegen den Nachlass haben, gibt das Gesetz dem Erben ein Aufgebotsverfahren an die Hand. Das Verfahren ist in §§ 433 ff., 454 ff. FamFG geregelt, die materiell-rechtlichen Wirkungen sind in den §§ 19701973 BGB dargestellt.

 

Rz. 220

Von dem Aufgebot nicht betroffen sind die dinglich gesicherten Gläubiger, wie Grundpfandrechtsgläubiger, Sicherungseigentümer, Vorbehaltseigentümer (§ 1971 BGB). Wäre dies nicht der Fall, so wäre ihre dingliche Sicherung letztlich im Erbfall wertlos. Die sachenrechtlichen Grundsätze über die Bestellung dinglicher Sicherungsrechte sorgen dafür, dass die Gläubiger bekannt sind (Eintragung im Grundbuch, Besitzeinräumung beim Pfandrecht an beweglichen Sachen).

Vom Gläubigeraufgebot nicht betroffen sind auch die Berechtigten aus Pflichtteilen, Vermächtnissen und Auflagen (§ 1972 BGB). Sie werden beim Erbfall bekannt, weil ihre Rechte nur im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Verfügung von Todes wegen entstehen können.

II. Verfahrensrecht

1. Zuständigkeit

 

Rz. 221

Zuständig für das Aufgebotsverfahren ist das Amtsgericht (§ 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 7 GVG), und zwar örtlich dasjenige, dem die Angelegenheiten des Nachlassgerichts obliegen (§ 454 Abs. 2 FamFG). Nach wie vor ungeklärt ist, ob die Nachlassabteilung[206] oder die allgemein für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständige Abteilung des Amtsgerichts[207] zuständig ist. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 3 Nr. 1 Buchst. c RPflG.

Das Aufgebot droht den Nachlassgläubigern, die sich nicht rechtzeitig melden, gemäß § 458 FamFG an, dass sie vom Erben nur insoweit Erfüllung verlangen können, als sich nach Erfüllung der nicht ausgeschlossenen Gläubigerforderungen noch ein Überschuss ergeben wird.

 

Rz. 222

 

Hinweis

Das Gläubigeraufgebot ist keine Maßnahme zur Herbeiführung der Haftungsbeschränkung, vielmehr kann sich der Erbe damit nur einen Überblick über die vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten verschaffen; letztlich dient das Aufgebotsverfahren der Klärung, ob Haftungsbeschränkungsmaßnahmen erforderlich sind oder nicht.

[206] So Keidel/Zimmermann, FamFG, § 342 Rn 11; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, § 342 Rn 11; MüKo/Küpper, § 1970 Rn 2.
[207] So OLG Hamm FGPrax 2012, 90; MüKo-FamFG/Mayer, § 342 Rn 20; Prütting/Helms/Fröhler, FamFG, § 342 Rn 44; Holzer, ZEV 2014, 583.

2. Antragsrecht

 

Rz. 223

Antragsberechtigt ist der Erbe, bei einer Miterbengemeinschaft jeder Miterbe (§§ 455 Abs. 1, 460 Abs. 1 FamFG). Sein Antragsrecht beginnt mit Annahme der Erbschaft, eine Frist ist dafür nicht einzuhalten.

 

Rz. 224

Beantragt nur einer von mehreren Miterben das Aufgebot, so kommen seine Wirkungen auch den übrigen Miterben zustatten (§ 460 Abs. 1 FamFG). Auch Vor- und Nacherbe sind antragsberechtigt; der Antrag des Vorerben kommt dem Nacherben zugute (§§ 461, 460 FamFG).

Der Erbe hat seinem Antrag ein Verzeichnis der ihm bisher bekannt gewordenen Nachlassgläubiger beizufügen und auf Verlangen die Richtigkeit dieses Verzeichnisses eidesstattlich zu versichern (§ 456 FamFG).

 

Rz. 225

Außer dem Erben steht ein Antragsrecht dem Testamentsvollstrecker, dem Nachlassverwalter und dem Nachlasspfleger zu (§ 455 Abs. 2 FamFG).

Nach § 2045 BGB kann die Nachlassauseinandersetzung hinausgeschoben werden, solange das Aufgebotsverfahren nicht abgeschlossen ist.

Für das Aufgebotsverfahren fällt eine Gebühr von 0,5 an, KV 15212 GNotKG. Die Kosten sind Nachlassverbindlichkeiten[208] und werden im Nachlassinsolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten berücksichtigt, § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO.

[208] Staudinger/Dutta, § 1970 Rn 3; MüKo/Küpper, § 1970 Rn 2; Palandt/Weidlich, § 1970 Rn 10.

III. Wirkungen des Ausschlussurteils bzw. des Ausschließungsbeschlusses

 

Rz. 226

Nach beendetem Aufgebotsverfahren kennt der Erbe die angemeldeten und die dinglich gesicherten Forderungen sowie Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen. Jetzt ist er in der Lage, sich zu entscheiden, ob er eine Haftungsbeschränkungsmaßnahme herbeiführen muss oder nicht.

 

Rz. 227

Hat ein Gläubiger seine Forderung nicht angemeldet, so hat dies nicht zur Folge, dass die Forderung damit erlischt. Die Forderung wird jetzt allerdings einredebehaftet: Dem Erben steht dagegen die Ausschließungseinrede zu (§ 1973 Abs. 1 S. 1 BGB). Allerdings haben selbst Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen Rang nach den ausgeschlossenen Gläubigern.

 

Rz. 228

Gegenüber den ausgeschlossenen Gläubigern haftet der Erbe nur mit dem Nachlass, und zwar nach Bereicherungsgrundsätzen. Hier tritt eine Haftungsbeschränkung ein, obwohl eine Gütersonderung nicht stattgefunden hat (§ 1973 Abs. 2 S. 1 BGB). Im Zusammenhang mit der Bereicherungshaftung ist § 818 Abs. 3 BGB zu beachten. Die beschränkte Haftung auf den Nachlass bedeutet in diesem Fall, dass der ...

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