Rz. 323

Im Zusammenspiel zwischen Zugewinnausgleichsansprüchen und sonstigen Ansprüchen eines Ehegatten als Folge des Scheiterns der Ehe wird häufig versucht, Gesamtpakete zu schnüren, die eine faire Gesamtregelung beinhalten und die dazu führen, dass die Belastung für den Verpflichteten tragbar erscheint.

a) Zugewinn und Unterhaltsverzicht

 

Rz. 324

Dem Unterhaltspflichtigen liegt häufig daran, nicht für eine eventuell lange Zeit Unterhalt an den – früheren – Ehegatten zahlen zu müssen und damit auf Jahre hinaus finanziell gebunden zu sein. Diese Gebundenheit führt häufig dazu, keine "neue Familie" gründen zu können."

 

Rz. 325

In solchen Fällen bietet sich an, den Unterhalt der Höhe nach zu bestimmen, abzuzinsen und in einem Kapitalbetrag zu zahlen. Dieser Betrag kann auf Zugewinnausgleichsansprüche zugeschlagen und damit ein Gesamtzugewinn gezahlt werden. Auch wenn dies geschieht, sollte unbedingt im Rahmen einer Vereinbarung darauf geachtet werden, dass derjenige Betrag, der der Abgeltung des nachehelichen Unterhaltes dient, als entsprechende Abfindung klassifiziert wird. Dies ist schon deshalb sinnvoll, weil – zumal im Falle von Ratenzahlung – ein sogar mehrjähriges Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG ermöglicht wird.

Diese könne wie folgt formuliert werden:[194]

 

Formulierungsbeispiel

Die Ehegatten verzichten gegenseitig auf alle gesetzlichen Ansprüche auf Unterhalt nach der Scheidung, also auch für den Fall der Not und nehmen diesen Verzicht gegenseitig an. Der Verzicht gilt auch im Falle einer Gesetzesänderung oder der Änderung der Rechtsprechung.

Als Abfindung für den Verzicht erhält die Ehefrau einen Betrag von insgesamt (…) EUR.

Die Abfindung ist zahlbar in 3 Raten à (…) EUR zum (…), zum (…) und zum (…)

Sollte der Ehemann mit der Zahlung der Raten ganz oder teilweise länger als einen Monat in Rückstand geraten, ist der gesamte noch ausstehende Betrag sofort fällig.

Die Ehefrau verpflichtet sich für die Jahre (…), also für die Dauer der Unterhaltsabfindungsleistung, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderliche Zustimmung zum begrenzten Realsplitting zu geben. Der Ehemann ist verpflichtet, die Ehefrau von den ihr entstehenden finanziellen Nachteilen freizustellen.

 

Rz. 326

Der Unterhaltsverzicht sollte dabei immer auch auf den "Fall der Not"[195] erstreckt werden, da sonst der Umkehrschluss gezogen werden könnte dahingehend, dass die Vereinbarung eben nicht für den Fall der Not gelten soll.

 

Rz. 327

§ 1585 Abs. 2 BGB, in dem die Möglichkeit einer Abfindungsregelung beschrieben ist, sagt über die Bemessung der Abfindung nichts; sie darf nicht "unbillig" sein.

Die Berechnung ist schwierig, da spekulativ die Möglichkeit der Wiederverheiratung zu berücksichtigen ist. Anzuraten ist, die Praxis der Haftpflichtversicherungen bei der Kapitalisierung von Hinterbliebenenrenten (§ 844 Abs. 2 BGB) zum Ausgangspunkt zu nehmen.[196] Von den Versicherern wurden u.a. Kapitalisierungsfaktoren für Witwenrenten unter der Berücksichtigung der Wiederverheiratungsmöglichkeit erarbeitet.[197]

 

Rz. 328

Bei Abfindungszahlungen sollte die Möglichkeit des begrenzten Realsplittings bedacht werden und ggf. eine Verteilung auf 2 oder 3 Jahre erwogen werden.

Im Übrigen muss die Zahlung nicht in Geld geschehen. Sie kann selbstverständlich in der Zuordnung anderer Vermögenswerte (Immobilie/Lebensversicherung) erfolgen.

 

Rz. 329

Zu berücksichtigen ist insgesamt, dass keine einseitige Lastenverteilung i.S.d. Rechtsprechung erfolgt.

 

Hinweis

Der beratende Rechtsanwalt ist insoweit dafür verantwortlich, als er im Falle der Sittenwidrigkeit in die Haftung geraten kann.

 

Rz. 330

Mit Vereinbarung einer Kapitalabfindung endet die unterhaltsrechtliche Beziehung der – früheren – Eheleute. Der Unterhaltsanspruch erlischt.[198] Das Erlöschen geschieht bereits mit Abschluss der Vereinbarung, nicht erst mit endgültiger Zahlung. Mit dem Abschluss der Vereinbarung besteht lediglich noch ein Zahlungsanspruch aus Vertrag.

 

Rz. 331

Dies führt zu einer Risikosituation für beide Beteiligte. Eine Anpassung an veränderte Umstände, also spätere Notsituationen, spätere Eingehung eines eheähnlichen Verhältnisses, spätere Wiederverheiratung etc. scheiden als Möglichkeit der Veränderung im Vergleich zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung aus.

In der Vereinbarung einer Kapitalabfindung liegt damit zugleich der Verzicht darauf, dass künftige Entwicklungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden.[199]

 

Rz. 332

Die Vorteile für den Berechtigten liegen naturgemäß darin, dass Risiken, die seinen laufenden Anspruch auf Zahlung einer Unterhaltsrente zukünftig gefährden könnten, wie z.B. sinkende Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, nicht fürchten muss.

Der Vorteil des Verpflichteten liegt darin, dass er die Unterhaltsansprüche, die ihn zeitlich sehr lange belasten würden, erledigt. Er kann Dispositionen für die Zukunft treffen. Ein Neuanfang – etwa in neuer Partnerschaft – wird nicht durch laufende Unterhaltsverpflichtungen erschwert. Zudem schützt sich der Verpflichtet vor eventuellen...

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