Rz. 195

Das Verbreitungsrecht umschließt die Befugnis, das Werk in körperlicher Form zu verwenden, wobei Vortrag, Aufführung und Vorführung des Werkes in der Öffentlichkeit, das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung oder die Sendung als gesetzlich geregelte Spezialtatbestände gerade nicht hierunter fallen. § 17 Abs. 1 UrhG gewährt dem Urheber das ausschließliche Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie das Werk an die Öffentlichkeit gelangt. Als Möglichkeiten bieten sich Verkauf, Vermietung oder Verleih an. Voraussetzung der Verbreitungshandlungen ist, dass eine körperliche Festlegung des Werkes in Werkstücken erfolgte.[327]

 

Rz. 196

 

Hinweis

Werden Vervielfältigungsstücke eines in Deutschland urheberrechtlich geschützten Werkes der angewandten Kunst im Inland angeboten, so ist das Verbreitungsrecht des Urhebers auch dann verletzt, wenn die Veräußerung im Ausland erfolgen soll und das Werk dort urheberrechtlich nicht geschützt ist.[328]

 

Rz. 197

§ 17 Abs. 2 UrhG regelt die so genannte Erschöpfung in der Weise, dass bei Verbreitung im Gebiet der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums durch Veräußerung das Verbietungsrecht an der Verbreitung erlischt.[329] Dies gilt allerdings nicht für die Weiterverbreitung durch Vermietung. Sind Werkstücke (z.B. Bücher, CD oder DVD) durch Veräußerung in den freien Handelsverkehr gelangt, so dürfen sie ungehindert in andere EU- bzw. EWR-Staaten exportiert werden. Nicht als Vermietung (und damit auch kein Erschöpfungsrecht gem. § 17 Abs. 2 UrhG) gilt die Überlassung von Originalen und Vervielfältigungsstücken von Bauwerken und Werken der angewandten Kunst oder im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zu dem ausschließlichem Zweck, bei der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis benutzt zu werden (§ 17 Abs. 3 UrhG). Vermietung ist also nicht im Sinne von §§ 535 ff. BGB anzusehen, sondern umschließt darüber hinaus etwa auch den Verkauf mit Rückkaufgarantie und die Gebrauchsüberlassung im Rahmen eines Buchclubs.[330]

 

Rz. 198

Die Erschöpfungswirkung erstreckt sich auf die EU sowie die EWR. Wird also in einem Staat der EU oder EWR das Original oder ein Vervielfältigungsstück auf den Markt gebracht, so erlischt an diesen konkreten Gegenständen das Verbietungsrecht im gesamten Gebiet der Europäischen Union/Europäischer Wirtschaftsraum. Beim Inverkehrbringen in Drittstaaten außerhalb der EU oder EWR tritt dagegen keine Erschöpfungswirkung im Inland ein. Somit ist eine internationale Erschöpfung ausgeschlossen.[331]

 

Rz. 199

Problematisch ist die Frage der Online-Erschöpfung. Hält man sich vor Augen, dass die Gesetzessystematik die Erschöpfung der körperlichen Verwertung zuweist, so stellt sich die Frage, ob der On-Demand-Vertrieb etwa von Tonträgern, hier zugeordnet werden kann. Nach der Gesetzesintention kommt das Inverkehrbringen durch Veräußerung nur dann in Betracht, wenn der Urheber Vervielfältigungsstücke erstellt, diese veräußert und dann nach der entsprechenden "Belohnung" das weitere Verfügungsrecht an diesen Werkstücken verliert. Der Vertrieb über Internet oder sonstige interaktive Medien passt deshalb nicht unmittelbar, weil der "Erwerber" die Vervielfältigungsstücke erstellt und bei Weitervertrieb selbst noch eine Kopie behält. In der Literatur wird nun versucht, im Wege der Analogie eine vermeintliche Gesetzeslücke zu schließen. Die neuen technologischen Entwicklungen führten zur Diskriminierung des Online-Vertriebs, denn es sei nur schwer nachvollziehbar, warum der Vertrieb von körperlichen Werkstücken anders zu beurteilen sei als der Online-Vertrieb.[332] Eine "saubere" Lösung kann nur durch eine Gesetzesänderung in der Weise erfolgen, dass die Erschöpfung auch auf den Online-Vertrieb erstreckt wird.[333] Allerdings würde dies zur Aufweichung der Abgrenzung zwischen körperlicher und unkörperlicher Verwertung führen.

 

Rz. 200

Der BGH[334] hat sich zwar in mehreren Entscheidungen mit diesem Thema beschäftigt, zunächst aber lediglich im Kontext zu einer schuldrechtlichen Frage. Im konkreten Fall ging es um die Zulässigkeit einer AGB-Klausel eines Herstellers von Computerspielen, wonach die Übertragung des Nutzerkontos ausgeschlossen war. Der BGH stellte dazu fest, dass eine solche Klausel rechtlichen Bestand hat. Ebenso hat das OLG Frankfurt/Main[335] entschieden, dass Bestimmungen eines Volumenlizensvertrags, nach denen die gewährten Nutzungsrechte nicht übertragbar sind, wirksam sind. Diese für die Softwarehersteller günstige Klausel hat aber nicht zur Klärung der grundsätzlichen Frage der (dinglichen) Erschöpfung geführt.

 

Rz. 201

Der BGH[336] hat durch Vorlagebeschluss dem EuGH Fragen zur Entscheidung vorgelegt, die sich darauf beziehen, ob der Zweiterwerber eines Vervielfältigungsstücks eines Computerprogramms, an dessen Verbreitungsrecht Erschöpfung eingetreten ist, gem. § 69d Abs. 1 UrhG Art. 5 Abs. 1 Compute...

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