Rz. 335

Bevor ein Rechtsanwalt ein Mandat zur Gestaltung eines Vertrages übernimmt, ist er regelmäßig zu einem Hinweis verpflichtet, wenn der abzuschließende Vertrag der notariellen Beurkundung bedarf. Auf die durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes anfallenden Rechtsanwaltsgebühren muss ein Rechtsanwalt allerdings grds. nicht ungefragt hinweisen (vgl. Rdn 193). Er hat den Auftraggeber jedoch darüber aufzuklären, dass durch eine notarielle Beurkundung zusätzliche Kosten entstehen. Der Rechtsanwalt kann nicht ohne weiteres voraussetzen, dass der Auftraggeber dies weiß. Dieser muss in die Lage versetzt werden, selbst sachgerecht entscheiden zu können, ob er die gezielte Betreuung durch anwaltliche Tätigkeit oder einen neutralen notariellen Vertragsentwurf wünscht.[1278]

 

Rz. 336

Der Rechtsanwalt schuldet aber regelmäßig nicht den Rat, statt seiner einen Notar aufzusuchen. Dies beruht darauf, dass der Mandant wegen der unterschiedlichen Aufgabenbereiche des Rechtsanwalts einerseits und des Notars andererseits verständige Gründe haben kann, einen Rechtsanwalt seines Vertrauens mit einem Vorentwurf zu beauftragen. Während der Rechtsanwalt Parteivertreter ist, der das Beste gerade für seinen Auftraggeber anstreben und einen entsprechenden Vertrag gestalten soll, darf der Notar als unparteiischer Mittler zwischen beiden Vertragsteilen nicht einseitig die eine oder andere Seite begünstigen. Der Rechtsanwalt kann deshalb im Allgemeinen davon ausgehen, dass seine fachkundige Hilfe gerade in der vorbeschriebenen Hinsicht gewünscht wird, wenn der Auftraggeber weiß, dass zusätzliche Kosten durch die Einschaltung eines Notars entstehen werden, und dennoch den Rechtsanwalt mit einem Vertragsentwurf beauftragt. Ist der Mandant darüber unterrichtet, dass der anwaltliche Entwurf zusätzliche Kosten verursacht, kann er eigenverantwortlich entscheiden, ob ihm Bedeutung und Schwierigkeitsgrad der Sache den weiteren Aufwand wert sind. Allenfalls auf eine ausdrückliche Rückfrage hin kann der Rechtsanwalt insoweit noch zu ergänzenden Erläuterungen verpflichtet sein. Wenn allerdings von Anfang an zu erkennen ist, dass nur eine standardisierte Beurkundung anfällt, die keinen Raum für relevante einzelfallbezogene Ausgestaltungen lässt, etwa weil die Vertragsgestaltung mit parallelen Urkunden übereinstimmen muss, wird der Rechtsanwalt gehalten sein, den Rechtsuchenden an einen Notar zu verweisen. Ob eine solche Verpflichtung besteht, wenn ein Rechtsanwalt mit einem Notar in einer gemeinsamen Praxis verbunden ist, hat der BGH offengelassen.[1279]

 

Rz. 337

Zudem kann zu berücksichtigen sein, dass die Gebühren einer notariellen Beurkundung durch einen in Deutschland niedergelassenen Notar, die in dem Gesetz über Kosten in der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (GNotKG; früher: Kostenordnung) nach dem Geschäftswert bemessen werden (§ 3), wesentlich höher sein können als die Kosten einer gleichwertigen Auslandsbeurkundung, etwa in der Schweiz, in Österreich oder in den Niederlanden. Allerdings ist in jedem Fall zu prüfen, ob das zu beurkundende Rechtsgeschäft den Formerfordernissen des anzuwendenden materiellen Rechts entspricht (vgl. Art. 11 EGBGB).[1280] So kann die Auflassung (§ 925 Abs. 1 Satz 2 BGB) eines in Deutschland belegenen Grundstücks nicht wirksam vor einem ausländischen Notar erklärt werden.[1281] Demgegenüber genügt eine notarielle Beurkundung einer Vielzahl gesellschaftsrechtlicher Vorgänge vor einem ausländischen Notar dem als Wirkungsstatut gem. Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB berufenen deutschen Recht, soweit die ausländische Beurkundung der deutschen gleichwertig ist.[1282] Gleichwohl ist der allgemein um Rat befragte deutsche Anwalt nicht verpflichtet, den Mandanten von sich aus auf die Möglichkeit von Auslandsbeurkundungen hinzuweisen. Der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers entspricht es, dass eine nach deutschem Recht notwendige notarielle Beurkundung bei deutschen Notaren unter dem Schutz deutschen Rechts, insb. des Beurkundungsgesetzes und der Notarhaftung nach deutschem Recht vorgenommen wird. Dann kann ein entsprechendes Vorgehen des Anwalts nicht pflichtwidrig sein. Wird der Anwalt vom Mandanten allerdings ausdrücklich mit der Prüfung alternativer kostensparender Möglichkeiten beauftragt, hat er zumindest die Möglichkeiten im deutschen Sprachraum zu prüfen, darüber hinaus allenfalls, wenn auch der Mandant oder dessen Bevollmächtigter der dann Anwendung findenden Beurkundungssprache mächtig ist.

[1278] BGH, NJW 1998, 136, 137; anders noch OLG Düsseldorf, AnwBl. 1984, 443.
[1279] BGH, NJW 1998, 136, 137.
[1280] Differenzierend: Goette, DStR 1996, 709; vgl. auch Großfeld/Berndt, RIW 1996, 626; Reuter, BB 1998, 116; Palandt/Thorn, Art. 11 EGBGB Rn 7 ff.
[1281] BGH, WM 1968, 1170, 1171; OLG Köln, DNotZ 1972, 489; KG, NJW-RR 1986, 1486.
[1282] Vgl. zum Ganzen etwa: Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 15 Rn 22a, § 2 Rn 9; Leible, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, System. Darst. 2 Rn 102 ff.

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