Rz. 692

Bemängelt der Prozessbevollmächtigte Fehler an der ihm zugestellten Urteilsausfertigung und wird ihm nach Rücksendung der Ausfertigung ein anderes Exemplar erneut zugestellt, läuft die Berufungsfrist dennoch ab der ersten Zustellung, wenn die bemängelten Fehler nicht geeignet waren, Zweifel an der gesamten Begründung des Urteils aufkommen zu lassen. Für die Wirksamkeit der Urteilszustellung als Voraussetzung des Beginns der Berufungsfrist kommt es nämlich entscheidend auf die äußere Form und den Inhalt der zugestellten Ausfertigung an, sie muss die Urschrift wortgetreu und vollständig wiedergeben, wobei kleine Fehler nicht schaden, wenn der Zustellungsempfänger aus der Ausfertigung den Inhalt der Urschrift und insbesondere den Umfang seiner Beschwer erkennen kann.[549]

 

Rz. 693

Ausnahmsweise beginnt mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses die Rechtsmittelfrist, wenn erst die berichtigte Fassung eines Teilurteils zweifelsfrei erkennen lässt, dass die nach dessen Tenor obsiegende Partei auch teilweise beschwert ist.[550]

 

Rz. 694

Ein zur Unwirksamkeit der Zustellung führender wesentlicher Mangel liegt auch dann vor, wenn in der zugestellten Urteilsausfertigung ganze Seiten fehlen. Das gilt grds. auch schon dann, wenn nur eine einzige Seite fehlt. Es gilt insbesondere dann, wenn der Zustellungsempfänger die Unvollständigkeit innerhalb der Rechtsmittelfrist gegenüber dem zustellenden Gericht rügt.[551]

 

Rz. 695

 

Beispiel für einen Tatbestands- und Urteilsberichtigungsantrag:

"In Sachen x./. y beantragen wir namens und im Auftrag des Beklagten, das Urteil einschließlich seines Tatbestands[552] vom … (im Folgenden: LGU) gemäß den §§ 319 ff. ZPO wie folgt zu berichtigen bzw. zu ergänzen:"

Der viertletzte Absatz auf Seite 2 LGU, wo es heißt "Kommanditistin war neben anderen die Z. GmbH (fortan: Z)." ist wie folgt zu korrigieren bzw. zu ergänzen:

"Kommanditisten waren neben den Herren XY die Q. Beteiligungsgesellschaft mbH und die Z. GmbH (fortan: Z); […]"

Begründung:

Die vorstehenden Berichtigungs- und Ergänzungsanträge begründen wir in der durch die gestellten Anträge vorgegebenen Reihenfolge wie folgt:

Das Gericht spricht im viertletzten Abs. auf Seite 2 LGU nur die Kommanditistenrolle der Z. GmbH an, obwohl die Klägerin selbst die Beteiligungsstruktur wie folgt geschildert hatte: […]

Bei der gerügten Feststellung des Gerichts entsteht bei Zusammenschau mit […] der Eindruck, dass eine übersichtliche und im Umgang einfache Gesellschafterstruktur bei der Gemeinschuldnerin anzutreffen war.

Damit haftet der zur Korrektur gestellten Passage im Urt. v. 24.7.2015 eine "Auslassung" bzw. "Dunkelheit" im Sinne vom § 320 ZPO an, die wie beantragt zu berichtigen ist.[553]

[550] BGH, Beschl. v. 5.11.1998 – VII ZB 24–98 – Ls. = NJW 1999, 646.
[551] BGH, Beschl. v. 10.3.1998 – X ZB 31–97 – Ls. = NJW 1998, 1959.
[552] Während offenbare Unrichtigkeiten nach § 319 ZPO jederzeit zu berichtigen sind, kann der Tatbestand – dazu gehören auch die tatsächlichen Feststellungen innerhalb der Entscheidungsgründe, Vollkommer, in: Zöller, ZPO-Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 320 Rn 4 – nur binnen zwei Wochen nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils berichtigt werden, § 320 ZPO. Entsprechend ist auch ein Antrag auf Urteilsergänzung nach § 321 Abs. 2 ZPO innerhalb von zwei Wochen zu stellen.
[553] Vgl. dazu BGH, Urt. v. 29.4.1993 – IX ZR 215/92 – Rn 13, juris = NJW 1993, 1851.

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