Rz. 1

Es dürfte mittlerweile allgemein anerkannt sein: Testamentsvollstreckung ist eine Dienstleistung, und zwar eine sehr anspruchsvolle. Sie erfordert Verantwortungsbewusstsein ebenso wie Durchsetzungsvermögen sowie wirtschaftlichen und rechtlichen Sachverstand. Soweit entsprechende Kenntnisse fehlen, hat sich der Testamentsvollstrecker diese zu verschaffen, und zwar ggf. auf Kosten des Nachlasses.[1] Es steht daher außer Frage, dass eine derart verantwortungsvolle Tätigkeit grundsätzlich zu vergüten ist. Die gesetzliche Regelung dazu ist kurz und einfach gehalten. § 2221 BGB bestimmt Folgendes: "Der Testamentsvollstrecker kann für die Führung seines Amtes eine angemessene Vergütung verlangen, sofern nicht der Erblasser ein anderes bestimmt hat."

 

Rz. 2

Gerade weil die Regelung so kurz ist, führt sie in der Praxis immer wieder zu vehementen Streitigkeiten.[2] Es gibt hier einen geradezu klassischen Betrachtungs- und Bewertungsgegensatz:

Der Testamentsvollstrecker fühlt sich für seine Tätigkeit häufig nicht ausreichend vergütet, die Erben hingegen meinen, der Nachlass werde über Gebühr belastet.[3]

 

Praxishinweis

Der Grund für Streitigkeiten um die Testamentsvollstreckervergütung liegt zum einen durchaus in einer "Geiz-ist-geil-Mentalität", zum anderen aber, wie Aufklärungs- und Mediationsgespräche in der Praxis immer wieder zeigen, auch in der Unkenntnis der Beteiligten von der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität einer Testamentsvollstreckung und von deren Aufwand. Im Regelfall hat weder der künftige Erblasser jemals einen Nachlass vollständig abgewickelt noch der ihn beratende Anwalt oder Notar (wenn sich der Erblasser denn überhaupt professioneller Hilfe bedient). Die Juristenausbildung klammert die Testamentsvollstreckung aus den im Erbrecht nachzuweisenden Lehrveranstaltungen ausdrücklich aus.[4] Entsprechend wenig erfahren sind oftmals selbst die letztendlich zur Entscheidung berufenen Richter, die noch weniger als Anwälte und Notare über praktische Erfahrungen bei der Abwicklung von Nachlässen verfügen. Die Nachlassgerichte sind für den Vergütungsrechtsstreit nicht zuständig, in den Eingangsinstanzen beim Landgericht gibt es noch keineswegs flächendeckend "geschäftsplanverteilungsmäßige" Zuständigkeiten für Erbrechtsstreitigkeiten, erst recht nicht bei den Amtsgerichten in Zivilsachen.[5] Hier liegt es an der Beraterzunft, sowohl im Einzelfall als auch ganz generell immer wieder aufzuklären.

Wer nicht konkret erklärt, was er alles tun muss und tatsächlich auch erledigt, kann grundsätzlich kaum erwarten, dass andere Menschen seine Tätigkeit und die dafür angesetzte Vergütung verstehen (siehe auch Rdn 11).

 

Rz. 3

Der Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung erscheint zunächst sehr einfach. Der Erblasser bestimmt, ob und ggf. welche Vergütung ein Testamentsvollstrecker erhält. Trifft der Erblasser in seinem Testament keine Aussagen, erhält der Testamentsvollstrecker gem. § 2221 BGB eben eine angemessene Vergütung.

 

Rz. 4

Der Erblasser hat also folgende Möglichkeiten: Er kann

entweder die Vergütung ausschließen oder
eine Vergütung nach Höhe und Zahlungsweise festlegen.

Eine solche erblasserseitige Anordnung ist der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Sie gilt kraft Bestimmung durch den Erblasser sowohl für den Testamentsvollstrecker als auch für den Erben als angemessen,[6] selbst wenn sie außergewöhnlich hoch sein sollte. Die allgemeinen Schranken, beispielsweise Sittenwidrigkeit, § 138 BGB,[7] oder Anpassungen im Wege ergänzender Auslegung des Testamentes in Fällen, in denen sich der Umfang der Aufgaben deutlich reduziert hat,[8] gelten selbstverständlich auch im Falle der Anordnung durch den Erblasser.

 

Praxishinweis

Im Einzelfall müssen natürlich immer die konkreten Gegebenheiten berücksichtigt werden. Hat der Erblasser eine Pauschalvergütung bestimmt, sei es in Form eines Fixbetrages, sei es in Form eines bestimmten Prozentsatzes vom Nachlasswert, und erledigen sich die Aufgaben des Testamentsvollstreckers beispielsweise dadurch, dass er den Nachlass nicht mehr auseinanderzusetzen braucht, weil die Erben gemeinschaftlich die Fortführung der Erbengemeinschaft beschlossen haben,[9] und hat der Erblasser für diesen Fall keine Regelung im Testament getroffen, wird es schwierig sein, Anhaltspunkte dafür zu finden, dass der Erblasser mutmaßlich davon ausgegangen sein würde, dass sich die Vergütung des Testamentsvollstreckers entsprechend reduziert. Immerhin ist jeder Pauschalvergütung immanent, dass sie unabhängig vom tatsächlich geleisteten Arbeitsumfang anfällt. In der Praxis dürfte es daher eher reine Spekulation sein, welchen Willen der Erblasser mutmaßlich gehabt haben würde. Spekulationen, die in die eine wie die andere Richtung angestellt werden können, führen aber nicht zu einem mutmaßlichen Erblasserwillen.[10] In einem solchen Fall wird ein Erblasserwille in Richtung einer Reduzierung der Pauschalvergütung nicht angenommen werden können,[11] so dass es letztendlich unabhängig vom tatsächlich durch ...

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