Rz. 67

Im Folgenden wird ein Überblick über die Erwerbstatbestände für die deutsche Staatsangehörigkeit gegeben, soweit sie für die Beurteilung und Beratung im internationalen Familienrecht bedeutsam sein können.

aa) Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Abstammung

 

Rz. 68

Die deutsche Staatsangehörigkeit wird regelmäßig durch Abstammung erworben (ius sanguinis). Wer als Kind einer deutschen Mutter oder eines deutschen Vaters geboren worden ist, ist gem. § 4 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG; vormals Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7.1913) ebenfalls deutscher Staatsangehöriger. Dies gilt unabhängig davon, ob aufgrund der Abstammung vom anderen Elternteil oder aus anderen Gründen zugleich eine weitere Staatsangehörigkeit erworben wird. Insoweit wurde Mehrstaatigkeit auch schon in dem vor 1999 geltenden Staatsangehörigkeitsrecht hingenommen. Ist das Kind außerehelich geboren worden und hat nur der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit, bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch das Kind der Feststellung der Abstammung vom deutschen Vater durch eine "nach den deutschen Gesetzen wirksamen" Anerkennung oder Vaterschaftsfeststellung. Die "deutschen Gesetze" umfassen in diesem Zusammenhang auch das IPR. Es gilt daher das gem. Art. 19 EGBGB bestimmte Abstammungsstatut für die Frage, ob und wie die Anerkennung und Vaterschaftsfeststellung erfolgt. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Abstammung ist nicht davon abhängig, dass dieser irgendwie angemeldet, amtlich bestätigt oder verlautbart wird. Daher ist eine im Ausland als Kind einer deutschen Mutter geborene und aufgewachsene Person Deutscher, selbst wenn sie sich der deutschen Staatsangehörigkeit niemals bewusst geworden ist.

bb) Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland

 

Rz. 69

Durch die Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 15.7.1999 wurde erstmalig der Staatsangehörigkeitserwerb durch Geburt im Inland (ius soli) in das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht eingeführt. Gemäß § 4 Abs. 3 StAG erwirbt ein Kind von Eltern, von denen kein Teil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn es im Inland geboren wird und zumindest ein Elternteil sich seit mindestens acht Jahren legal im Inland aufhält (gewöhnlicher Aufenthalt), wobei er einen entsprechenden Aufenthaltstitel in Form der unbefristeten Aufenthaltsberechtigung, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Aufenthaltserlaubnis-EG vorweisen muss (Letztere erhalten die Staatsanghörigen eines EU-Mitgliedstaates bzw. EWR-Mitgliedstaates, ungeachtet ihres schon durch das Unionsrecht gewährleisteten materiellen Aufenthaltsrechts). Da diese Kinder in der Praxis nahezu ausnahmslos bereits die Staatsangehörigkeit(en) ihrer Eltern erwerben, wird durch diese Maßnahme gezielt die Mehrstaatigkeit in Deutschland lebender Ausländer gefördert.[108]

 

Rz. 70

Freilich wird die deutsche Staatsangehörigkeit nur "provisorisch" verliehen. Der Betroffene muss nach Erreichen der Volljährigkeit und bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres erklären, ob er die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit aufgeben will. Weist er den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht bis zum angegebenen Termin nach, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch verloren (§ 29 Abs. 3 S. 1 StAG). Folge ist, dass in allen Rechtsverhältnissen, bei denen das maßgebliche Recht an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, ein Statutenwechsel eintritt.

 

Rz. 71

Hinweis: Eine Streichung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB (siehe Rdn 83)[109] dürfte in den meisten Fällen zu keiner Lösung führen: Da die betroffenen Personen in Deutschland nicht nur geboren, sondern auch aufgewachsen sind, wäre die deutsche Staatsangehörigkeit dann als "effektive Staatsangehörigkeit" über Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB maßgeblich.

[108] Dies betont Schulz, NJW 2000, 490.
[109] So der Vorschlag von Schulz, NJW 2000, 491.

cc) Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Adoption

 

Rz. 72

Die von einem Deutschen vorgenommene Annahme als Kind führt gem. § 6 S. 1 StAG nur dann zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Angenommenen, wenn dieser das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Adoption muss "nach deutschem materiellen Recht wirksam" sein. Dies verlangt nicht, dass die Adoption nach deutschem Recht vorgenommen worden ist. Ist die Adoption nach ausländischem materiellen Recht vorgenommen worden – etwa weil gem. Art. 22 EGBGB ein ausländisches Recht Adoptionsstatut ist oder weil die Heimatbehörden des Kindes tätig geworden sind und diese das ausländische Heimatrecht des Kindes bzw. ihre lex fori angewandt haben –, tritt der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ebenfalls ein, soweit die Adoption im Inland anzuerkennen ist und zu einer verwandtschaftlichen Beziehung führt, die im Wesentlichen mit einer Volladoption des deutschen Rechts vergleichbar ist. Die Praxis der Verwaltungsgerichte legt dabei besonderen Wert darauf, dass keine Vertragsadoption vorliegt, sondern diese vom Gericht oder von einer staatlichen Behörde begründet worden ist (Dekretadoption).

dd) Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Eheschließung

 

Rz. 73

Die Eheschließung führt in einigen Rechtsordnungen im...

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