Rz. 405

Würde man die Anfechtung der Abstammung wie die Abstammung selber behandeln, so müsste der Anfechtende, um die Abstammung wirksam anzufechten, diese nach sämtlichen Rechtsordnungen wirksam zustande bringen, die aus dem Strauß der gem. Art. 19 EGBGB anwendbaren Rechte eine Abstammung begründen. Da über die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in eine andere Rechtsordnung gem. Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB jederzeit neue Rechtsordnungen ins Spiel kommen können, die an die Anfechtung neue Anforderungen stellen, wäre dies eine Sisyphosarbeit.

 

Rz. 406

Art. 20 EGBGB schafft hier eine Erleichterung: Ähnlich wie bei der Begründung der Abstammung (vgl. Rdn 393 ff.) stellt diese Vorschrift eine alternative Anknüpfung zur Begünstigung der Anfechtung zur Verfügung. Die Abstammung kann gem. Art. 20 S. 1 EGBGB nach jedem Recht angefochten werden, aus dem sich die Voraussetzungen für eine Abstammung ergeben. Anders als es sich bei Anwendung von Art. 19 EGBGB ergeben würde, ist hier also nicht die Anfechtung nach sämtlichen Rechten erforderlich, aus denen sich die Abstammung ergibt. Vielmehr genügt es, dass die Anfechtung nach einem einzigen von ihnen wirksam ist. Eine Einschränkung des Kreises der in Art. 19 Abs. 1 EGBGB aufgeführten Rechtsordnungen ergibt sich allein dahingehend, dass die Anfechtung nach einer der dort genannten Rechtsordnungen nur dann möglich und wirksam ist, wenn sich aus ihr auch die angefochtene Abstammung ergibt. Dem Anfechtungsstatut unterliegt die Anfechtung durch den Ehemann der Mutter, zugunsten dessen die Abstammungsvermutung spricht, insgesamt, einschließlich der Fristen und des Kreises der anfechtungs- und klageberechtigten Personen.

 

Rz. 407

Die Verweisungen des Art. 20 EGBGB umfassen gem. Art. 4 Abs. 1 EGBGB auch das ausländische IPR, Rück- und Weiterverweisungen sind also beachtlich. Sobald jedoch die Befolgung des Renvoi dazu führen würde, dass die Auffächerung in die verschiedenen Anknüpfungsalternativen sich wieder reduzieren würde, wird allgemein vertreten, die Befolgung der Rückverweisung verstoße dann gegen den Sinn der Verweisung (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Rück- und Weiterverweisungen sind daher auch hier nur insoweit zu beachten, als sie den Kreis der anwendbaren Rechtsordnungen erweitern.[491]

 

Rz. 408

Soweit das berufene Recht für die Anfechtung zwischen ehelicher und nichtehelicher Abstammung unterscheidet, wird die hierfür maßgebliche Frage nach der ehelichen bzw. nichtehelichen Abstammung nach wohl h.M. als Vorfrage nach dem Recht behandelt, welches das IPR des für die Anfechtung maßgeblichen Rechts insoweit für anwendbar erklärt (unselbstständige Vorfragenanknüpfung; vgl. Rdn 41).[492]

[491] NK-BGB/Bischoff, 3. Aufl. 2016, Art. 20 EGBGB Rn 14; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2004, S. 406.
[492] Palandt/Thorn, 79. Aufl. 2020, Art. 20 EGBGB Rn 1; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2004, S. 406.

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