Rz. 106

Das Ergebnis muss mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sein. Es genügt also nicht, dass das Ergebnis nach deutschem Recht anders oder entgegengesetzt lauten würde (also z.B. die geschiedene Ehefrau keinen Unterhaltsanspruch erhält oder die Volljährigenadoption ausgeschlossen ist). Das Ergebnis muss vielmehr "so anstößig sein und mit den deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehen, dass es untragbar erscheint".[154] Damit ist der ordre public gerade im Familienrecht einem starken zeitlichen Wandel ausgesetzt. Was vor zwanzig Jahren noch zu den tragenden Säulen der deutschen Rechtsordnung zählte, hat man jetzt vielleicht schon stillschweigend aufgegeben.[155]

Beispiele: Der BGH hat es nun für inakzeptabel gehalten, wenn zwei in Deutschland lebende syrische Staatsangehörige katholischen Glaubens entsprechend den Grundsätzen des für sie geltenden kanonischen Eherechts nicht geschieden werden können.[156] Im Ausland ausgesprochene Adoptionen werden nunmehr im Inland nur noch dann anerkannt, wenn nachgewiesen werden kann, dass das Gericht auch das Kindeswohl geprüft hat.[157]

 

Rz. 107

In anderen Bereichen ist man sensibler geworden.[158] Erfahrungsgemäß ist gerade nach neuen Rechtsentwicklungen die Toleranz gegen abweichende Regelungen besonders gering.

 

Rz. 108

Im Verhältnis zu anderen Staaten der EU wird der ordre public wohl nicht mehr eingesetzt werden. So ist das Fehlen eines Versorgungsausgleichs im ausländischen Recht nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt kein Grund zum Einsatz des ordre public.[159]

[154] BGHZ 50, 375; 104, 243; 118, 330; 123, 270.
[155] Vgl. BGHZ 28, 275 (zur Versagung des "Kranzgeldes").
[157] Z.B. OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 575 (siehe Rdn 424).
[158] Vgl. AG Hamburg StAZ 1984, 42 (zum Eheverbot der Geschlechtsumwandlung nach malaysischem Recht).
[159] OLG Frankfurt FamRZ 2011, 1065. Die Entscheidung betraf zwar das iranische Recht. Da die meisten europäischen Rechte aber ebenfalls keinen Versorgungsausgleich kennen, dürfte die Entscheidung auf die europäischen Rechte übertragbar sein.

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