Rz. 401

Schwierigkeiten ergeben sich, wenn eine ausländische Rechtsordnung weiterhin zwischen ehelichen und nichtehelichen Abkömmlingen differenziert. Da das deutsche Kollisionsrecht für seit dem 1.7.1998 geborene Kinder keine Kollisionsnorm für die Feststellung der ehelichen Abstammung enthält,[484] besteht für diese Fälle eine kollisionsrechtliche Regelungslücke. Insbesondere kann die Verweisung aus Art. 19 Abs. 1 EGBGB hier nicht immer weiterhelfen, da u.U. die verschiedenen Anknüpfungen zu mehreren Rechtsordnungen führen, die für die Ehelichkeit zu gegensätzlichen Ergebnissen kommen.

 

Rz. 402

Das Vorgehen in diesen Fällen ist umstritten: Nach einer Ansicht seien die Voraussetzungen für die eheliche bzw. nichteheliche Abstammung sowie die Legitimation dem Sachrecht zu entnehmen, das die Differenzierung zwischen der ehelichen und nichtehelichen Kindschaft treffe, also dem Kindschaftsrecht des Staates, dessen Recht z.B. die Erbfolge unterliegt. In diesem Zusammenhang auftauchende weitere Vorfragen, wie z.B. die Abstammung des Kindes und die wirksame Eheschließung der Mutter, seien nach deutschem IRP (Art. 19 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 EGBGB) anzuknüpfen.[485] Die mittlerweile wohl überwiegende abweichende Ansicht befürwortet hier dagegen ausnahmsweise eine sog. unselbstständige Vorfragenanknüpfung. Das heißt, dass das auf die Ehelichkeit anwendbare Recht nach dem Internationalen Privatrecht des Staates bestimmt werden soll, dessen Recht die Frage der Ehelichkeit aufgeworfen hat, also das IPR aus dem Rechtssystem, das die Hauptfrage entscheidet.[486] Weitere Vorfragen, wie z.B. das Bestehen einer Ehe der Mutter, seien freilich auch hier wieder nach deutschem IPR anzuknüpfen. Kommt man auf diese Weise zum deutschen Kindschaftsrecht, welches nur eine einheitliche Kindschaft kennt, ist das Kind als ehelich zu behandeln.[487]

[484] Für vor dem 1.7.1998 geborene Kinder bleiben Art. 19 f. EGBGB a.F. anwendbar, Art. 224 § 1 EGBGB.
[485] Dörner, in: FS Henrich, 2000, S. 119, 126; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn 158, 565; Sturm, StAZ 1998, 313; Looschelders, Internationales Privatrecht, 2003, Art. 19 EGBGB Rn 5.
[486] NK-BGB/Bischoff, 3. Aufl. 2016, Art. 19 EGBGB Rn 13; Palandt/Thorn, 79. Aufl. 2020, Art. 19 EGBGB Rn 8; Erman/Hohloch, 15. Aufl. 2017, Art. 19 EGBGB Rn 24; Henrich, FamRZ 1998, 1405; Staudinger/Henrich, 2001, Art. 19 EGBGB Rn 99; Hepting, StAZ 1999, 97; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2004, S. 406; MüKo-BGB/Helms, 7. Aufl. 2018, Art. 19 EGBGB Rn 54; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Heiderhoff, 4. Aufl. 2020, Art. 19 EGBGB Rn 40; MüKo-BGB/von Hein, 8. Aufl. 2020, Einl. IPR Rn 195.
[487] So z.B. auch Bamberger/Roth/Hau/Poseck /Heiderhoff, 3. Aufl. 2012, Art. 19 EGBGB Rn 41.

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