Rz. 80

Im Zusammenhang mit dem deutsch-amerikanischen Handelsvertrag wird gleichfalls immer wieder über die Frage diskutiert, ob die Anerkennung von US-Gesellschaften in Deutschland eine tatsächliche bzw. effektive Beziehung zu den USA erfordert (genuine link).[76] Der BGH[77] hat die Frage bislang offengelassen.[78] Nach Auffassung des BGH soll das genuine link-Erfordernis vor allem Missbräuchen entgegenwirken und kann daher nur in "extrem gelagerten" Ausnahmefällen zur Korrektur der staatsvertraglich festgelegten Anerkennung führen. Im Ergebnis hat der BGH nur sehr geringe Anforderungen an einen genuine link gestellt und auch eine "geringe Betätigung" (wie z.B. das Vorhandensein eines Telefonanschlusses oder eines Aktiendepots) ausreichen lassen.

 

Rz. 81

Diese Rechtsprechung des BGH zum deutsch-amerikanischen Handelsvertrag aus dem Jahr 1954 lässt sich aber nicht ohne weiteres auf das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich aus dem Jahr 2020 übertragen. Das jetzige Handelsabkommen macht die Anerkennung ausdrücklich von "substantive business operations" bzw. einem "effective and continuous link" abhängig. Dagegen ist dies im deutsch-amerikanischen Handelsvertrag nicht (jedenfalls nicht ausdrücklich) vorgesehen.[79]

 

Rz. 82

Angesichts dieser Unterschiede im Text der beiden Abkommen erscheint es naheliegend, für "substantive business operations" im Vereinigten Königreich etwas höhere Anforderungen (als z.B. einen bloßen Telefonanschluss) zu stellen.[80] Für die Anerkennung englischer private limited companies in Deutschland ist demnach mehr als nur eine "geringe Betätigung" im Vereinigten Königreich erforderlich.

[76] Verneinend u.a. Schmidt, J., GmbHR 2021, 229 (233). Bejahend insbesondere Kindler, in: MüKo BGB, Band 13, IPR II, 8. Aufl. 2021, IntGesR Rn 345 ff.
[77] BGH, Urt. v. 13.10.2004, I ZR 245/01 (Kalifornien), ZIP 2005, 28 = NZG 2005, 45 = GmbHR 2005, 51 mit Anm. Kleinert = EWiR 2005, 21 (Henkel) = DStR 2004, 2113 mit Anm. Goette, ausführlich dazu Paal, RIW 2005, 735; BGH, Urt. v. 5.7.2004, II ZR 389/02 (Delaware), ZIP 2004, 1549 = DStR 2004, 1841 = NZG 2004, 1001 = BB 2004, 1868 mit Anm. Mellert = EWiR 2004, 919 (Paefgen) = DB 2004, 1994 = GmbHR 2004, 1225, ausführlich dazu Ebke, RIW 2004, 740; Stürner, IPRax 2005, 305; BGH, Urt. v. 19.1.2003, VIII ZR 15/02 (Florida), BGHZ 153, 353 = NJW 2003, 1607 = ZIP 2003, 720 = NZG 2003, 531 = DStR 2003, 948 = EWiR 2003, 661 (Mankowski) = DB 2003, 818 = GmbHR 2003, 534.
[78] Ausführlich zum Ganzen Kindler, in: MüKo BGB, Band 13, IPR II, 8. Aufl. 2021, IntGesR Rn 319 ff. und Rn 345 ff.
[79] Siehe Art. XXV Abs. 5 S. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954, BGBl II 1956, 488.
[80] Weitergehend wohl Schmidt, J., GmbHR 2021, 229 (230 ff., 234) (Telefonanschluss im Vereinigten Königreich genügt für substantive business operations).

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