Rz. 9

Sehr viel problematischer gestaltet sich die Sache bei der außergerichtlichen Tätigkeit. Hier gibt es erhebliche Schwierigkeiten, die Ursprung vieler Gebührenstreitigkeiten sind. Die §§ 16 ff. RVG helfen dabei nicht wirklich weiter. Hervorzuheben ist allerdings die Regelung des § 17 Nr. 1a RVG, wonach das Verwaltungsverfahren und das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende weitere Verwaltungsverfahren sowie das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung[7] verschiedene Angelegenheiten sind. Dies wird häufig nicht berücksichtigt. Damit wird zwar kein Streit mit dem Mandanten ausgelöst, aber viel Geld verschenkt.

 

Rz. 10

Eine gesetzliche Festlegung darüber hinaus wäre wünschenswert, ist aber nicht realisierbar. Die Fallkonstellationen im außergerichtlichen Bereich sind so vielseitig, dass eine Erfassung aller Varianten unmöglich ist. Und wie in der Juristerei üblich, gilt auch hier: Es kommt darauf an! Daher bleibt es der Rechtsprechung vorbehalten, den Begriff mit Leben zu füllen. Rechtssicherheit schafft das jedoch nicht. Im Zweifel kann auch an eine Vergütungsvereinbarung zwecks Vereinbarung über die Anzahl der Angelegenheiten gedacht werden.

[7] BVerwG, Beschl. v. 16.1.2012 – 1 WDS-KSt 2/11.

a) Definition des BGH

 

Rz. 11

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH lässt sich die Frage nach der Angelegenheit nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt dabei nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr auch dann gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll.[8]

Zusammenfassend lässt sich daher sagen: Es handelt sich um eine Angelegenheit, wenn folgende Merkmale kumulativ vorliegen:

einheitlicher Auftrag,
einheitlicher Lebenssachverhalt mit innerem Sachzusammenhang,
gleichgerichtetes Vorgehen.

b) Abgrenzung zum Gegenstand

 

Rz. 12

Die Angelegenheit ist dabei vom Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann daher mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es nach dem BGH grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören. Der Annahme derselben Angelegenheit steht dabei nicht entgegen, dass der Anwalt mehrere Auftraggeber vertreten soll. Ein einheitlicher Auftrag kann nämlich auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird, wobei ggf. durch Auslegung ermittelt werden muss, ob der Anwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder für jeden von ihnen gesondert tätig werden soll. Die Annahme derselben Angelegenheit kommt z.B. dann in Betracht, wenn dem Schädiger eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist.[9]

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