a) Ergänzender typischer Sachverhalt

 

Rz. 86

Der Verkäufer wünscht, seine Verzugshaftung auf "vernünftige" Höchstbeträge zu begrenzen. Zudem möchte er im Falle "Höherer Gewalt", Pandemie und von Streik oder Aussperrung eine angemessene Terminverschiebung erreichen.

b) Rechtliche Grundlagen

aa) Terminverschiebung bei Höherer Gewalt, Streik und Aussperrung

 

Rz. 87

Im Falle "Höherer Gewalt", einer Pandemie und anderer vom Lieferer nicht zu vertretender Störungen bietet das BGB hinreichende Mechanismen, Schadensersatzpflicht und Verzug auszuschließen (§§ 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4 BGB). Das Rücktrittsrecht ist allerdings nicht vom Verschulden abhängig. Bei Streik und Aussperrung sind die Mechanismen nicht so eindeutig, da sie in das Betriebsrisiko des Verkäufers fallen. Klauseln, die im Falle von Streik oder Arbeitskampfmaßnahmen vertragliche Termine entsprechend verschieben, sind üblich. Sie sind aber nur insoweit zulässig, als ein Ereignis zugrunde liegt, das vom Verwender nicht zu vertreten ist (siehe auch § 309 Nr. 8 lit. a BGB). Andernfalls läge ein verhüllter Haftungsausschluss vor.[193] Ob ein Verschulden des Verwenders bei Arbeitskampfmaßnahmen im eigenen Betrieb vorliegt, ist umstritten.

[193] Im Einzelnen: NK-BGB/Kollmann, § 307 Rn 99 "Arbeitskampf-/Höhere Gewalt-Klauseln".

bb) Anforderungen an Begrenzungen der Verzugshaftung

 

Rz. 88

Verzugshaftungsbegrenzungen in AGB werden vom BGH grds. anerkannt. Es ist jedoch nicht definitiv geklärt, ob Verzug stets die Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht darstellt.[194] Wenn nicht, könnte auch ein Haftungsausschluss vorgesehen werden. Wenn Verzug in jedem Fall die Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht darstellt, muss die in den AGB vorzusehende Haftungsgrenze der Höhe nach den aufgrund des Verzugs vertragstypischen vorhersehbaren Schaden abdecken.[195] Der BGH hat bei Neuwagenverkaufsbedingungen (NWVB 1992) eine Begrenzung der Verzugshaftung nach § 286 BGB a.F. (Verzögerungsschaden) auf 5 % (als vertragstypischen Schaden) für wirksam erklärt,[196] die zusätzliche Haftung wegen Nichterfüllung (heute: Schadensersatz statt der Leistung) aufgrund Lieferverzugs auf (zusätzliche) 10 % des Kaufpreises jedoch für unwirksam, weil im Anwendungsbereich (Neuwagenverkauf) typischerweise höhere Schäden auftreten könnten.[197] Der BGH hat jedoch auch im Hinblick auf die Begrenzung des Nichterfüllungsschadens eine summenmäßige Begrenzung nicht für unzulässig gehalten, sondern nur bei der konkreten Konstellation die genannte Summe für zu niedrig befunden. Das Urteil betraf einen Verbraucher.

Einen Prozentsatz (oder sonstigen Faktor oder Betrag) für die Haftungsbegrenzung kann nur der Verwender selbst im Hinblick auf den Anwendungszweck der AGB und die "vertragstypisch vorhersehbaren Schäden" bestimmen.

 

Rz. 89

In der Klauselfassung sind auch die übrigen AGB-rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten:

das Verbot des Ausschlusses von Haftung für grobes Verschulden, § 309 Nr. 7 lit. b BGB;
das Verbot des Ausschlusses der Haftung bei Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, § 309 Nr. 7 lit. a BGB;
das Verbot des Ausschlusses von Ansprüchen nach dem ProdHaftG (auch wenn als Verzögerungsschaden fernliegend);
die Begrenzung der Haftungseinschränkung bei Kardinalpflichten.
[194] Punktuelle Entscheidungen des BGH "dafür": BGH v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060, 1063 (Daihatsu-Vertragshändlervertrag). Das Urt. zu den NWVB scheint davon auszugehen, dass der Verzug dort eine wesentliche Vertragspflichtverletzung darstellt, siehe die Erwähnung "vertragstypischen, vorhersehbaren Schäden" in BGH v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292, 295 (IV.2).
[195] Siehe BGH v. 18.7.2012 – VIII ZR 337/11, NJW 2013, 291 (Nr. 40, 43); für wirksam erklärt in BGH v. 25.2.1998 – VIII ZR 276/96, ZIP 1998, 784 (§ 6 AVBEltV); BGH I. Senat (Transportfall) v. 17.10.2013 – I ZR 226/12 (Nr. 12), n.v.
[196] BGH v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292, 295. Siehe auch v. Westphalen, BB 2002, 214: Haftung aus § 280 Abs. 2 BGB könne auch gegenüber Verbrauchern z.B. auf 5 % des Verkaufspreises begrenzt werden (wohl nicht bei Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB, bei Fixgeschäften nach § 376 HGB oder nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB).
[197] BGH v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292, 295. Bei Nichtlieferung war der Betrag von 10 % bereits nach einem Monat Verzögerung erreicht.

c) Checkliste

 

Rz. 90

Terminverschiebung bei Streik/Aussperrung/Pandemie/Höherer Gewalt:

Klausel zulässig, wenn sie an "vom Verkäufer nicht zu vertretende Ereignisse" anknüpft

Begrenzung der Haftung für Verzug:

Keine Haftungsausschlüsse im Falle von:

Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (auch bei Erfüllungsgehilfen des Verwenders)
schuldhaft verursachten Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, auch nicht bei leichter Fahrlässigkeit
Schäden aus Produkthaftung nach dem ProdHaftG
schuldhaft verursachten Verletzungen wesentlicher Vertragspflichtverletzung ("Kardinalpflichten") (aber: bei einfacher Fahrlässigkeit Begrenzung auf den typischerweise vorhersehbaren Schaden zulässig, wenn nicht andere Fälle zwingender Haftung). Begriff "Kardinal...

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