Rz. 92

Oft spielen Erbengemeinschaften mit dem Gedanken, ein Mietverhältnis durch eine Verwertungskündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu beenden. Auf dem Weg der Universalsukzession haben sie beispielsweise eine vermietete Eigentumswohnung erhalten. Nun möchte sich die Erbengemeinschaft jedoch zeitnah auseinandersetzen und plant folglich, die Eigentumswohnung zu verkaufen. Dabei stellt sie fest, dass sie im freihändigen Verkauf für eine vermietete Wohnung einen Preisabschlag hinnehmen muss. Daraufhin entschließt man sich das Mietverhältnis zu kündigen. Als Grund für die Kündigung wird angegeben, dass sich die Erbengemeinschaft auseinandersetzen wolle und eine bestmögliche Verwertung der Immobilie anstrebt, womit die Verfahrensweise nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gewählt wird. Es stellt sich hier die Frage, ob eine Verwertungskündigung alleine schon deshalb vorgenommen werden darf, weil sich die Erbengemeinschaft auseinandersetzen möchte.

I. Allgemeines

 

Rz. 93

Damit der Erbengemeinschaft ein Kündigungsgrund gem. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zur Seite steht, müsste sie ein berechtigtes Interesse zur Kündigung besitzen. Dieses liegt für den Vermieter üblicherweise dann vor, wenn er an der angemessenen Verwertung der Immobilie durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses gehindert wird und hierdurch erhebliche Nachteile erleidet.[131]

Hierbei wird gerade die Frage nach einem Mindererlös im Verkaufsfall kontrovers diskutiert.[132] Hinsichtlich der Ermittlung jener Einbußen gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Es ist der Rechtsprechung überlassen, dieses Tatbestandsmerkmal mit "Leben" zu füllen. So wird zum Teil mit wechselnden prozentualen Abschlägen gearbeitet und zum anderen Teil werden absolute Zahlen zur Ermittlung der Nachteile herangezogen.[133] Der Bundesgerichtshof hat sich in einer Entscheidung zu den Voraussetzungen einer Verwertungskündigung geäußert.[134] Danach wird die Verwertungskündigung bejaht, wenn der Mieterschutz ansonsten zu einem faktischen Verkaufshindernis wird. Zugleich stellt der BGH in seiner Entscheidung heraus, dass kein Eigentümer es dauerhaft hinnehmen muss, mit der Immobilie Verluste zu erwirtschaften, da dies mit dem Eigentumsgrundrecht nach Art 14 GG nicht vereinbar sei.

 

Rz. 94

Üblicherweise wird ein Vermögensvergleich vorgenommen und bei vermieteten Objekten wird der Preis im vermieteten Zustand dem im nicht vermieteten Zustand gegenübergestellt. Hierbei wird sicherlich regelmäßig das Ergebnis erzielt, dass der Verkaufspreis im nicht vermieteten Zustand höher sein wird. Dies alleine ist jedoch noch nicht ausreichend, um eine entsprechende Kündigung auszusprechen. Hat der Eigentümer seinerseits die Immobilie vermietet erworben, so ist der Einkaufspreis mit dem Verkaufspreis jeweils im vermieteten Zustand zu betrachten. Deshalb ist die Einbuße im Einzelfall zu ermitteln. Entscheidend ist der Preisvergleich jeweils im vermieteten Zustand.[135]

[131] Emmerich/Sonnenschein/Haug, § 573 Rn 60; Schmidt-Futterer/Blank, § 573 Rn 150.
[132] Vgl. hierzu: MüKo/Häublein, § 573 Rn 83 ff.
[133] Emmerich/Sonnenschein/Haug, § 573 Rn 70.
[135] Schmitt/Futterer/Blank, § 573 Rn 171.

II. Erwerb der Immobilie im Erbgang

 

Rz. 95

Diese Kriterien werden auch herangezogen, wenn die Erbengemeinschaft die Immobilie im Erbgang erworben hat.[136] Hier kommt es nicht darauf an, ob für die Immobilie in mietfreiem Zustand ein höherer Preis erzielt werden kann.[137] Ein Nachteil liegt nur dann vor, wenn die Erbengemeinschaft im Verkaufsfall wegen der Vermietung den für vermietete Immobilien üblichen Preis nicht erzielen kann.[138] Bei unentgeltlichem Erwerb, sei es durch Schenkung oder in Folge Erbgangs, ist entsprechend der Verkehrswert im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbs anzusetzen, denn der Immobilie haftet der durch die Vermietung hervorgerufene Minderwert schon an und die Erbengemeinschaft tritt genau in diese Rechtsposition ein. Würde man den (regelmäßig höheren) Verkehrswert der Immobilie im unvermieteten Zustand zugrunde legen, hätte die Erbengengemeinschaft bereits auf diesem Weg einen Wertzuwachs erreicht, der tatsächlich bei Tod des Erblassers noch nicht vorhanden war.

[136] Schmitt/Futterer/Blank, § 573 Rn 171.
[137] BVerfG ZMR 1992, 50.

III. Zulässigkeit der Verwertungskündigung

 

Rz. 96

Angesichts dieser Ausführungen wird deutlich, dass alleine das Bestreben, die Erbauseinandersetzung zu vollziehen, kein ausreichendes Kriterium ist, um eine Verwertungskündigung zu rechtfertigen.

Die Konzeption der Erbengemeinschaft und deren konkrete Zusammensetzung mögen im Einzelfall die Verwaltung einer solchen Immobilie erschweren. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Erbengemeinschaft aus einer Vielzahl von Personen besteht und die Erben möglicherweise auch weltweit "verstreut" sind. Allerdings wird alleine die Existenz der Erbengemeinschaft nicht ausreichend sein, um über diesen Weg ein Kündigungsrecht zu konstruieren. Vielmehr muss auch die Erbengemeinschaft sämtliche Kriterien und Vor...

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