Rz. 41

Das Erbstatut war im französischen Recht nie gesetzlich kodifiziert. Es wird daher für vor dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle (vgl. Art. 83 Abs. 1 EUErbVO) getrennt danach angeknüpft, ob es sich um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt. Auf die Erbfolge des unbeweglichen Nachlasses wird die Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 franz. code civil (c.c.) angewandt, wonach auch Ausländern gehörendes unbewegliches Vermögen französischen Gesetzen unterworfen ist. Daraus wird die Geltung des Belegenheitsrechts auch für die Immobiliarerbfolge abgeleitet.[41]

 

Rz. 42

Die Erbfolge des beweglichen Vermögens unterliegt dem am letzten Wohnsitz (domicile) des Erblassers geltenden Recht.[42] Das domicile bestimmen die Art. 102 ff. c.c. Es hat mit dem Wohnsitzbegriff des BGB wenig gemein. Das domicile befindet sich an der "Hauptwohnung" (principal établissement) einer Person. Dabei kann eine Person gleichzeitig nur ein einziges domicile haben. Ein neues domicile wird begründet und das alte gleichzeitig aufgegeben, indem der Betreffende mit der Absicht, dort seine Hauptwohnung zu begründen, an einem anderen Ort tatsächlich wohnt. Mithin ist ein subjektives und ein objektives Tatbestandsmerkmal erforderlich. In der Praxis wird freilich zumeist von den objektiven Umständen auf den subjektiven Tatbestand geschlossen. Es genügt, dass sich der Betreffende aus seinem bisherigen gesellschaftlichen Umfeld gelöst hat, selbst wenn er Bindungen beibehalten hat. Eine Vermutung für den Wohnsitz besteht, wenn der Aufenthalt mindestens zwei Jahre lang beibehalten wurde. Auch muss das neue domicile nicht endgültig sein. Minderjährige teilen kraft Gesetzes das domicile ihrer Eltern. Die Ehefrau teilt seit 1976 nicht mehr zwingend das domicile ihres Ehemannes. Faktisch wird sich jedoch in der Regel ihr domicile an der résidence de la famille befinden.[43]

 

Rz. 43

Die Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen (Qualifikation) erfolgt auch für im Ausland belegenes Vermögen nach den Regeln des französischen Rechts. Danach umfasst das unbewegliche Vermögen Grundstücke, Stockwerkseigentum und Eigentumswohnungen, Zubehör (immeubles par destination), den Nießbrauch an unbeweglichen Sachen, Hypotheken, Grunddienstbarkeiten und Ansprüche und Forderungen, die sich auf Grundstücke beziehen (Art. 517 ff. c.c.).[44] Dagegen werden Anteile an Gesellschaften, auch wenn es sich um reine Grundstücksgesellschaften wie eine französische société civil immobilière handelt, als beweglich qualifiziert.

 

Rz. 44

Die durch die Nachlassspaltung geschaffenen Vermögensmassen werden völlig selbstständig und voneinander absolut unabhängig behandelt. Die Nachlassspaltung wird in der Rechtsprechung auch in Bezug auf die Pflichtteilsrechte streng durchgeführt. Im 16. Jahrhundert bestehende Ansätze, eine Kompensation zwischen den Massen durchzuführen, wurden seit dem 18. Jahrhundert von der Rechtsprechung verworfen.[45] Die Pflichtteilsrechte sind also in Bezug auf jeden Spaltnachlass ohne Rücksicht darauf zu beurteilen, ob und wie hoch die Beteiligten an den anderen Spaltnachlässen beteiligt sind. Für die Behandlung von Schenkungen im Rahmen der Ausgleichung und Pflichtteilsergänzung gilt das Erbrecht, das für die Masse gilt, zu der diese Gegenstände gehören würden, wenn sie im Vermögen des Erblassers geblieben wären. Umstritten ist allerdings, ob dies auch dann noch gilt, wenn nicht die Sache selber, sondern lediglich ihr Wert angerechnet wird.[46] Ungeklärt ist schließlich die Zuordnung von Nachlassverbindlichkeiten zu einem bestimmten Spaltnachlass.[47]

 

Rz. 45

Die Struktur, Verwaltung und Dauer der Erbengemeinschaft unterliegen nicht dem Erbstatut. Sie werden sachenrechtlich qualifiziert und unterliegen dem jeweiligen Belegenheitsrecht.[48]

[41] Ständige Rspr. seit der Entscheidung der Cour de Cassation vom 14.3.1837 ("Stewart"), Ancel/Lequette, Grands arrêts de la jurisprudence française de droit international privé, 3. Aufl., Paris 1998, Nr. 3.
[42] Seit Cour de Cassation vom 19.6.1939 ("Labedan"), Ancel/Lequette, Grands arrêts de la jurisprudence française de droit international privé, Nr. 18.
[43] Ferid/Sonnenberger, Das französische Zivilrecht, Bd. 1/1, 2. Aufl. 1994, Rn 1 D 184.
[44] Ausführlich Ferid/Sonnenberger, Das französische Zivilrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1986, Rn 3 A 61 ff.
[45] Zuletzt Cour de Cassation vom 4.12.1990 ("Pearsh"), Revue critique de droit international privé, 1992, 76; Héron, Le morcellement des successions internationales, Paris 1986, Rn 297 Fn 1; Sonnenberger, IPRax 2002, 169. Kritisch die Literatur, vgl. z.B. Vignal, Droit international privé, 2005, Rn 447.
[46] Bejahend Cour de Cassation vom 3.13.1996; a.A. Mayer/Heuzé, Droit international privé, 8. Aufl. 2004, Rn 822 m.w.N.; Vignal, Droit international privé, Paris 2005 Rn 447.
[47] Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn 824; Vignal, Droit international privé, Rn 449.
[48] Mayer/Heuzé, Droit international privé, Rn 827.

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