Rz. 297

Für die Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind, unterstellt § 28 Abs. 1 des österreichischen Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht vom 15.6.1978 (IPRG) die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Personalstatut des Erblassers. Personalstatut ist gem. § 9 Abs. 1 IPRG das Heimatrecht einer Person.[324] Rück- und Weiterverweisungen werden gem. § 5 IPRG beachtet, dürften aber im Verhältnis zu Deutschland nicht auftreten, da beide Staaten dem Staatsangehörigkeitsgrundsatz folgen. Da gem. Art. 9 Abs. 1 S. 2 IPRG die österreichische stets vor der ausländischen Staatsangehörigkeit berücksichtigt wird, kommt es jedoch in den Fällen der österreichisch-deutschen Doppelstaater, insbesondere bei Kindern aus gemischtnationalen Ehen, in Deutschland und Österreich zur Anwendung verschiedenen Erbstatuts.

 

Rz. 298

Vom Erbstatut ausgenommen sind gem. § 32 IPRG die Art und Weise (Modus) des Erwerbs dinglicher Rechte an Nachlassimmobilien. Konkret bedeutet dies das Erfordernis einer gerichtlichen Einantwortung nach österreichischem Erbrecht für in Österreich belegene Grundstücke und dort belegenes sonstiges Vermögen auch dann, wenn deutsches Recht Erbstatut ist.[325] Diese Durchbrechung des Erbstatuts ist aus deutscher Sicht gem. Art. 3 Abs. 3 EGBGB zu beachten. Umstritten ist, ob auch das Anerbenrecht und die Kärntner und Tiroler Erbhofgesetze sich gegen ausländisches Erbstatut durchsetzen.[326]

 

Rz. 299

Eine weitere Besonderheit ergibt sich, wenn zwei Personen gem. § 2 Abs. 10 östWEG eine in Österreich belegene Eigentumswohnung in Eigentümerpartnerschaft erworben haben. Dann wächst vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nach § 14 Abs. 1 S. 1 östWEG[327] der Anteil des Verstorbenen dem Überlebenden an. Der Überlebende muss dafür einen Ausgleich in Höhe des halben Verkehrswertes der Wohnung in die Verlassenschaft leisten. Die Ausgleichsverpflichtung mindert sich für einen pflichtteilsberechtigten Wohnungseigentumspartner, wenn die Wohnung seinem dringenden Wohnbedürfnis dient, auf den Teil, der den Pflichtteilsansprüchen der Miterben an dem ihm zugewachsenen Anteil entspricht (§ 14 Abs. 2 S. 2 östWEG). Der Erwerb der Wohnung erfolgt nicht auf erbrechtlichem Wege, sondern im Zuge einer dinglichen Anwachsung. Er ist daher sachenrechtlich zu qualifizieren und unterliegt daher dem österreichischen Belegenheitsrecht (Art. 43 Abs. 1 EGBGB). Pflichtteilsberechtigung und Pflichtteilsquote dagegen sind weiterhin nach dem Erbstatut zu beurteilen, so dass hier u.U. das deutsche Pflichtteilsrecht in die Berechnung des sich aus dem österreichischen Sachenrecht ergebenden dinglichen Ausgleichsanspruchs hineinspielt.

 

Rz. 300

Ebenfalls vom Erbstatut ausgenommen sind gem. § 30 IPRG letztwillige Verfügungen, Erbverträge und Erbverzichtsverträge. Deren Wirksamkeit kann sich sowohl aus dem Personalstatut des Erblassers bei Vornahme ("Errichtungsstatut") als auch beim Erbfall ergeben (Günstigkeitsprinzip). Anders als im deutschen Recht (Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB) ist also u.U. durch späteren Wechsel der Staatsangehörigkeit eine Heilung der Verfügung möglich.

 

Rz. 301

Für die Formwirksamkeit einseitiger und gemeinschaftlicher Verfügungen gilt das Haager Testamentsformübereinkommen. Erbverträge und Erbverzichtsvereinbarungen sind entsprechend der allgemeinen Formvorschrift in § 8 IPRG formwirksam, wenn sie den Formerfordernissen entweder des Errichtungsstatuts oder des Errichtungsortes entsprechen.[328]

 

Rz. 302

Das Erbstatut umfasst nicht nur die gesetzliche und die testamentarische Erbfolge, sondern auch Pflichtteilsansprüche, Pflichtteilsergänzung, den Anspruch auf Herabsetzung von Legaten etc.[329] Der OGH hat zweimal über die Behandlung des Pflichtteils bei Nachlassspaltung entschieden. Dabei ergibt sich die Tendenz, die Nachlassspaltung im Pflichtteilsrecht zu überwinden:

Im ersten Fall[330] hinterließ der österreichische Erblasser eine Liegenschaft in Spanien, für die das österreichische Abhandlungsgericht nicht zuständig war. Der OGH bestätigte, dass in diesem Fall vor österreichischen Gerichten Pflichtteile nur bzgl. des im Inland belegenen Nachlasses geltend gemacht werden könnten. Es trete eine (faktische) Nachlassspaltung ein.[331] Bei der Berechnung des Pflichtteils müsse jedoch der Wert der im Ausland belegenen Liegenschaften und deren von den dortigen Behörden verfügtes rechtliches Schicksal berücksichtigt werden.

Im zweiten Fall[332] ging es um ein österreichisches Grundstück im Nachlass einer mit Wohnsitz in Kalifornien verstorbenen US-Staatsangehörigen. Für die Erbfolge galt aufgrund teilweiser Rückverweisung durch das kalifornische internationale Erbrecht[333] österreichisches Erbstatut (Nachlassspaltung). Der Ehemann hatte aufgrund Vereinbarung einer joint tenancy mit der Erblasserin von dem in den USA belegenen Vermögen bereits die der Erblasserin zustehende Hälfte an der ehelichen Errungenschaft im Wert von ca. 58.000 US-$ erhalten und machte nun bzgl. des österreichischen Grundstücks Pflichtteilsansprüche na...

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