Rz. 9

Das vom Erblasser in der letztwilligen Verfügung eingesetzte Schiedsgericht hat diejenigen Aufgaben, die ihm vom Erblasser zugewiesen werden, soweit gesetzliche Grenzen nicht überschritten sind. Grundsätzlich können alle vermögensrechtlichen Ansprüche einem Schiedsgericht übertragen werden, § 1030 ZPO. Dies trifft vor allem auf erbrechtliche Ansprüche zu; sie können im Wege der Leistungs-, Feststellungs- oder Rechtsgestaltungsklage geltend gemacht werden.[19] Es geht dabei um Rechtsanwendung und nicht um die Ersetzung des Erblasserwillens.

Durch ein Schiedsgericht können sowohl rechtsgestaltende als auch zur Leistung verpflichtende Entscheidungen erlassen werden, ebenso feststellende Entscheidungen.

Dem Schiedsgericht kann der Erblasser Entscheidungskompetenz über folgende Regelungsmaterien zuweisen:

die Erbenfeststellung im Falle eines Streites unter Erbprätendenten, gleichgültig, ob es sich um gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge handelt; der Erblasser braucht keine Erbeinsetzung vorgenommen zu haben; es würde reichen, lediglich ein Schiedsgericht zur Feststellung der gesetzlichen Erbfolge einzusetzen, ausgenommen ist das Erbscheinsverfahren selbst, ebenso das Beschwerdeverfahren,[20]
Eintritt oder Ausfall einer Bedingung,
die Erbauseinandersetzung,[21]
Fragen der Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen nach §§ 2050 ff. BGB,
Feststellungsklage über Modalitäten der Erbteilung, um diese vorzubereiten und zur Vermeidung der Erbteilungsklage,
Streitigkeiten über ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung,[22]
Streitigkeiten zwischen Erben und Vermächtnisnehmern, die ihren Grund in der Verfügung von Todes wegen haben,
Auslegung einer Verfügung von Todes wegen,[23]
Wirksamkeit der Anfechtung einer letztwilligen Verfügung (streitig),[24]
Streitigkeiten betr. die Erbunwürdigkeit,
Streitigkeiten zwischen Vorerben und Nacherben,
Streitigkeiten zwischen Erben, Vermächtnisnehmern und Testamentsvollstrecker, nicht aber über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers,[25]
Streitigkeiten im Pflichtteilsrecht, die der Regelungsbefugnis des Erblassers unterfallen, z.B. die Verteilung der Pflichtteilslast unter Miterben bzw. Vermächtnisnehmern.[26]
 

Rz. 10

Für das Schiedsgericht gilt auch die Grenze des § 2065 BGB.[27] Das Schiedsgericht kann also nicht an die Stelle des Erblassers treten und den Erben auswählen. Es hat vielmehr nur den Willen des Erblassers festzustellen. Insoweit darf ein Schiedsgericht auch nicht ein formungültiges Testament für gültig erklären.[28] Das Schiedsgericht kann z.B. auch nicht den Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls bestimmen.[29] Der ergehende Schiedsspruch wirkt – wie ein zivilgerichtliches Urteil – lediglich inter partes, § 1055 ZPO.

[19] BGH NJW 1959, 1494; Zöller/Geimer, § 1030 Rn 4, 18.
[20] BayObLG FamRZ 2001, 873 = ZEV 2001, 352.
[21] BGH NJW 1959, 1493.
[22] Zur Auslegung letztwilliger Verfügungen durch das Schiedsgericht vgl. Kipp/Coing, S. 136.
[23] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.2007 – 10 Sch 6/07; Beck RS 2009, 29357; Schwab/Walter, Kap. 32 Rn 25 f.
[24] Verneinend Lange/Kuchinke, S. 520 und Kipp/Coing, S. 424; bejahend Kohler, DNotZ 1962, 125 und Palandt/Weidlich, § 2065 Rn 7.
[26] Keim, NJW 2017, 2653 f.
[27] Kohler, DNotZ 1962, 125; BeckOK BGB/Müller-Christmann, § 1937 Rn 9.
[28] RGZ 100, 76; Kohler, DNotZ 1962, 125.
[29] BGH NJW 1955, 100.

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