Rz. 33

Besondere Vorsicht verlangt die Fristenkontrolle im Beschwerderecht. Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde grundsätzlich an eine Frist gebunden. Sie ist innerhalb einer Notfrist, d.h. ohne Verlängerungsmöglichkeit durch den Richter, von zwei Wochen ab der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung einzulegen, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO.

 

Rz. 34

 

Hinweis

Die Frist ist nach § 224 ZPO auch mit Zustimmung des Gegners nicht verlängerbar!

 

Rz. 35

Die Beschwerdefrist beginnt gem. § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO mit der Zustellung der Entscheidung von Amts wegen nach §§ 329 Abs. 3, 270 ZPO zu laufen. Dies gilt auch für Beschwerden gegen Beschlüsse über die Aufstellung oder die Ausführung des Teilungsplans im Zwangsversteigerungsverfahren.[32]

 

Rz. 36

 

Hinweis

Eine gem. § 319 ZPO ausgesprochene Berichtigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses hat nur dann einen Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfrist, wenn die Entscheidung vor ihrer Berichtigung nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließung und das weitere Handeln der Parteien und für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden.[33]

 

Rz. 37

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn das Ausgangsgericht einen grundsätzlich mit der sofortigen Beschwerde angreifbaren Beschluss trotz der anderweitigen Anordnung des Richters formlos mitteilt. Auch in diesem Fall gilt der Beschluss mit dem tatsächlichen Zugang als zugestellt. Der mit dem Zustellungsreformgesetz zum 1.7.2003 eingeführte § 189 ZPO n.F. lässt im Gegensatz zum früheren § 187 ZPO a.F. insoweit nämlich auch die Heilung von Zustellungsmängeln bei Notfristen zu.

 

Rz. 38

Zwar spricht vieles dafür, dass die Anwendung von § 189 ZPO voraussetzt, dass zumindest eine Zustellung veranlasst wurde. § 189 ZPO beabsichtigt nämlich nur die Heilung mangelhafter und fehlerhafter Zustellungen, nicht aber den Ersatz einer nicht einmal veranlassten Zustellung.[34] Allerdings fehlt es hier bislang noch an Rechtsprechung, so dass diese Frage noch mit einem hohen Haftungsrisiko verbunden ist. Dem Grundsatz des sichersten Weges folgend, sollte also auch bei einer formlosen Übersendung der beschwerdefähigen Entscheidung die Notfrist von zwei Wochen eingetragen und beachtet werden. Dem Gericht sollte angezeigt werden, dass die Entscheidung nicht zugestellt wurde, wann sie eingegangen ist und dass ab dem tatsächlichen Zugang die Rechtsmittelfrist berechnet wird.

 

Rz. 39

Ist die anzufechtende Entscheidung verkündet worden, beginnt die Notfrist von zwei Wochen nach § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO spätestens fünf Monate nach der Verkündung, wenn sie zuvor nicht zugestellt worden ist und auch keine Heilung angenommen werden kann.

 

Rz. 40

 

Tipp

Weisen Sie Ihr Büropersonal generell an, bei einer Entscheidung des Gerichts den Ablauf einer Notfrist von zwei Wochen nebst einer Vorfrist einzutragen und Ihnen zur Kontrolle und Abzeichnung vorzulegen. Kommt es dann gleichwohl zu einem Fristversäumnis, bleibt Ihnen die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO.

 

Rz. 41

Die Fristberechnung erfolgt gem. § 222 Abs. 1 ZPO nach den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Damit läuft die Beschwerdefrist mit dem Ablauf desjenigen Tages ab, der zwei Wochen später dem Tag entspricht, auf den die Zustellung der anzufechtenden Entscheidung gefallen ist. Handelt es sich hierbei um einen Samstag, einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, so läuft die Frist erst am darauf folgenden Werktag ab.

 

Rz. 42

Ist die anzufechtende Entscheidung zunächst formell rechtskräftig geworden, d.h. die Notfrist von zwei Wochen abgelaufen, so kann die sofortige Beschwerde nach § 569 Abs. 1 S. 3 ZPO ungeachtet dieser Frist eingelegt werden, wenn bezüglich der Beschwerdeentscheidung einer der Gründe nach § 579 ZPO, der gegen ein Urteil die Nichtigkeitsklage begründen würde, vorliegt oder einer der Restitutionsgründe nach § 580 ZPO.

 

Rz. 43

In diesem Fall kann die Beschwerde binnen einer Notfrist von einem Monat nach §§ 569 Abs. 1 S. 3, 586 Abs. 1 ZPO erhoben werden.[35] Die Frist beginnt mit der Kenntnis von dem Nichtigkeits- oder Restitutionsgrund, jedoch nicht vor der formellen Rechtskraft der anzufechtenden Entscheidung und spätestens fünf Jahre nach der formellen Rechtskraft der anzufechtenden Entscheidung, §§ 569 Abs. 1 S. 3, 586 Abs. 2 ZPO.

 

Rz. 44

 

Hinweis

Ob und inwieweit § 569 Abs. 1 S. 3 i.V.m. §§ 578 und 579 ZPO auch eine nachträgliche Anfechtung einer Beschwerdeentscheidung des Landgerichts oder Oberlandesgerichts erlaubt, die – mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes oder richterlicher Entscheidung – eigentlich nicht mehr anfechtbar ist, bleibt nach der bisherigen Rechtsprechung offen. Der Mandant müsste vor Erhebung einer solchen Beschwerde jedenfalls auf das diesbezügliche Risiko hingewiesen werden.

[32] BGH MDR 2009, 769 = Rpfleger 2009, 401 = BGHReport 2009, 758.
[33] OLGR Naumburg 2005, 202.
[34] Musielak/Voit/Ball, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 569 Rn 4, geht ohne Differenzierung und ohne Hinweis auf § 189 ZPO bei einer formlosen Mitteilung davon aus, ...

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