I. Allgemeines

 

Rz. 20

Für die Berechnung des Pflichtteils ist neben der Feststellung der Quote der Bestand des Nachlasses festzulegen. Bei der Feststellung des Nachlassbestands sind diejenigen Vermögenspositionen abzuziehen, die unvererblich sind oder die außerhalb des Nachlasses auf Dritte übergehen, so z.B. die Lebensversicherung (Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall), wenn ein Bezugsberechtigter benannt ist.[19]

 

Rz. 21

Nicht mit zu bewerten sind auch diejenigen Gegenstände, auf die sich z.B. ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht nach §§ 2346 ff. BGB erstreckt.[20] Unberücksichtigt bleiben ferner aufschiebend bedingte Rechte und Verbindlichkeiten (§ 2313 Abs. 1 S. 1 BGB). Auflösend bedingte Rechte kommen dagegen voll zum Ansatz (§ 2313 Abs. 1 S. 2 BGB). Nach Bedingungseintritt sich ergebende Differenzen sind später auszugleichen (§ 2313 Abs. 1 S. 3 BGB). Alle Rechte, die durch Konfusion erloschen sind, gelten für die Pflichtteilsberechnung als nicht erloschen.[21]

 

Rz. 22

Nicht zum Bestand des Nachlasses gehört das Sondervermögen des Erblassers, wie beispielsweise der Anteil des Ehegatten am Gesamtgut bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft,[22] oder die Vorerbschaft[23] des Erblassers, da diese mit dem Tod des Erben direkt an die Nacherben fällt. Beides ist somit aus dem Bestand des Nachlasses herauszurechnen. Anders dagegen beim Vor- und Nachvermächtnis. Hier fällt der Vermächtnisgegenstand zunächst in den Nachlass des Vorvermächtnisnehmers und kann dann erst vom Nachvermächtnisnehmer herausverlangt werden.

 

Rz. 23

 

Hinweis

Der sogenannte Ehegattenvoraus nach § 1932 BGB bleibt bei der Berechnung des Pflichtteils von Abkömmlingen oder Eltern gemäß § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB außer Ansatz.

 

Rz. 24

Nicht abgezogen vom Bestand des Nachlasses werden hingegen die Auflagen und sonstigen Vermächtnisse. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus § 1991 Abs. 4 BGB i.V.m. § 327 InsO. Gemäß § 1991 Abs. 4 BGB hat der Erbe Verbindlichkeiten und Auflagen so zu berichtigen, wie sie im Falle des Insolvenzverfahrens zur Berichtigung kommen würden. Im Falle eines Insolvenzverfahrens ist nach § 327 Abs. 1 InsO folgende Rangfolge vorgesehen:

Nr. 1: Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten
Nr. 2: Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen und Auflagen.
 

Rz. 25

Vermächtnis und Auflage gehen daher dem Pflichtteilsrecht nach. Sie können deshalb bei der Berechnung des Pflichtteils nicht abgezogen werden. Gleiches gilt auch für den Pflichtteilsanspruch selbst.[24]

[19] Palandt/Weidlich, § 1922 Rn 39. Nach der Rechtsprechung des BGH fällt aber die "Kreditsichernde Lebensversicherung" in Höhe des abgetretenen Sicherungsbetrages in den Nachlass; BGH ZEV 1996, 263.
[20] Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 53.
[21] Vgl. BGHZ 98, 382 und Damrau/Tanck/Riedel, § 2311 Rn 9.
[22] Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 52.
[23] Damrau/Tanck/Riedel, § 2311 Rn 44.
[24] Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 57.

II. Anteile an Personengesellschaften

 

Rz. 26

Schwierigkeiten bestehen bei der Frage, ob ein Anteil an Personengesellschaften in den Nachlass fällt und bei der Pflichtteilsberechnung zu berücksichtigen ist. Inwieweit ein Anteil an einer Personengesellschaft in den Nachlass fällt, hängt letztlich von der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Nachfolgeregelung ab.

1. Bei der Fortsetzungsklausel

 

Rz. 27

Wird bei dem Tod eines Gesellschafters eine Personengesellschaft aufgrund einer Fortsetzungsklausel oder kraft Gesetzes unter den Überlebenden fortgesetzt, so stellt sich die Frage, ob der Gesellschaftsanteil bzw. der Abfindungsanspruch des Erblassers Nachlassbestandteil wird und wie der Wert des Anteils zu bemessen ist.

 

Rz. 28

Nach § 738 Abs. 1 S. 2 Fall 3 BGB steht dem ausscheidenden Gesellschafter ein Abfindungsanspruch für den Verlust seines Gesellschaftsanteils zu. Dieser Abfindungsanspruch fällt in den Nachlass[25] und ist deshalb bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs zu berücksichtigen.

 

Rz. 29

Für die Wertbemessung des Abfindungsanspruchs nach § 738 Abs. 2 BGB ist nach der Rechtsprechung des BGH[26] von dem Ertragswert auszugehen. Da die Fortsetzungsklausel gerade zu einer Fortführung der Gesellschaft führen soll, ist der sogenannte Fortführungswert und nicht etwa der Liquidationswert maßgebend.[27]

 

Rz. 30

Nach überwiegender Ansicht[28] ist § 738 Abs. 1 S. 2 BGB aber dispositiv. Die Gesellschafter haben somit die Möglichkeit, eine hiervon abweichende Regelung zu treffen. So kann beispielsweise vereinbart werden, für die Wertbemessung des Abfindungsanspruchs den sogenannten Buchwert zugrunde zu legen.[29]

 

Rz. 31

Die Zulässigkeit eines völligen Ausschlusses des Abfindungsanspruchs wird bei lebzeitigem Ausscheiden[30] eines Gesellschafters verneint, bei Ausscheiden von Todes[31] wegen hingegen überwiegend bejaht.[32] Ist im Gesellschaftsvertrag ein solcher Ausschluss vereinbart worden, so entstehen kein Abfindungsanspruch und auch kein hieran zu bemessender Pflichtteilsanspruch. Es kommt dann lediglich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Betracht.

[25] BGHZ 22, 186.
[26] BGH NJW 1982, 2441.
[27] BGH NJW 1985, 192; Damrau/Tanck/Riedel, § 2311 R...

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