Rz. 139

Bewilligt das Berufungsgericht ohne zuvor wirksam eingelegte Berufung Prozesskostenhilfe, beginnt die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist für die Einlegung der Berufung gem. § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, der keiner förmlichen Zustellung bedarf.[209] Bei Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrages beginnt die Zweiwochenfrist für die Einlegung der Berufung erst nach einer Zeitspanne von drei bis vier Tagen nach Bekanntgabe.[210] Innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist muss die versäumte Prozesshandlung – hier die Berufungseinlegung – gem. § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO vorgenommen werden.

 

Rz. 140

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Laufzeiten der Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO (zwei Monate nach Zustellung) und nach § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO (einen Monat nach Fortfall des Hindernisses) bestehen in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedliche Auffassungen über den Beginn der Laufzeit der Wiedereinsetzungsfrist. Selbst die Rechtsprechung des BGH ist nicht ganz einheitlich.[211] Nach der überwiegenden Rechtsprechung beginnt die Monatsfrist für die Berufungsbegründung nach §§ 234 Abs. 1 S. 2, 236 Abs. 2 S. 2 ZPO für eine mittellose, um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei bei versäumter Berufungsfrist erst mit der Mitteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.[212] Die mittellose Partei soll nämlich erst dann zur Berufungsbegründung gehalten sein, wenn sie weiß, dass ihr hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung gewährt worden ist.[213]

 

Rz. 141

 

Hinweis

Divergierende Rechtsprechung des BGH kann für das Verschulden bei Prüfung der Wiedereinsetzung bedeutsam sein: Folgt der Rechtsmittelführer bei der Bestimmung der Frist zur Begründung der Berufung nach bewilligter Prozesskostenhilfe (für eine beabsichtigte Berufung) der Rechtsprechung des BGH (Beginn der einmonatigen Frist zur Begründung mit Bekanntgabe des Wiedereinsetzungsbeschlusses), weicht das Berufungsgericht hiervon aber unter Bezugnahme auf die Auffassung eines anderen Zivilsenats des BGH ab (Fristbeginn bereits mit Bekanntgabe des Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses), fehlt es regelmäßig an einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten.[214]

[209] BGH VersR 2006, 1141.
[211] Vgl. hierzu BGH NJW 2014, 2442.
[212] BGH NJW 2007, 3354, 3355.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge