Rz. 65

Die Gesundheitsschädigung muss durch das Unfallereignis entstanden sein, Ziff. 1.3 AUB 2014. Es gilt die Adäquanztheorie. Das Unfallereignis muss im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen und ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zulassenden Umständen geeignet sein, die Gesundheitsschädigung herbeizuführen.[124]

Abgestellt wird auf eine nachträgliche Prognose, wobei neben dem Wissen der VP auch alle einem optimalen Betrachter zur Zeit des Unfalls erkennbaren Gegebenheiten zu berücksichtigen sind, unter Heranziehung des gesamten zur Zeit der Beurteilung zur Verfügung stehenden Erfahrungswissens.[125]

Ausreichend ist eine Mitursächlichkeit,[126] wenn diese nicht gänzlich außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegt.[127] Waren Krankheiten, Gebrechen oder körperliche Veranlagungen für den Gesundheitsschaden mitursächlich, dann ist dies im Rahmen der Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen (Ziff. 3 AUB 2014) zu berücksichtigen. Das Vorhandensein von Vorschäden für sich genommen schließt die Kausalität nicht aus.[128]

 

Rz. 66

Nach verbreiteter bisheriger Meinung sollte es für die Kausalität nicht ausreichen, dass jede beliebige Ursache den Gesundheitsschaden hervorgerufen konnte, so dass es nach dieser Auffassung an einer Kausalität fehlte; vielfach wurde dafür der aus dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung stammende Begriff der "Gelegenheitsursache" verwendet.[129] In diesen Fällen wurde eine bereits bestehende Gesundheitsschädigung lediglich vollendet oder sichtbar, im Sinne eines letzten Tropfens, der das Fass zum Überlaufen bringt. Nach dem BGH wird man dies so wohl nicht mehr vertreten können.

 

Hinweis

Die Problematik der Verwendung des Begriffs "Gelegenheitsursache" wurde vielfach kritisch gesehen und genauer wäre auch die Bezeichnung des Problems als "Auslöseursache".

So werden in Rechtsprechung und Literatur[130] Bedenken gegen die Verwendung der Rechtsfigur "Gelegenheitsursache" im Rahmen der privaten Unfallversicherung geäußert und auf die mögliche Verschiebung der Beweislast vom VR (beweisbelastet für die Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen) auf den VN (beweisbelastet für die Kausalität zwischen Ereignis und Gesundheitsschaden) hingewiesen, wenn die Frage der Auslösung eines klinisch stummen Gesundheitsschadens als nicht kausal und damit fehlendes Unfallereignis gewertet würde, anstelle es bei der Mitwirkung zu prüfen.

Wenn aber die Auslösung einer tödlich verlaufenden Allergie durch den Verzehr von Schokolade durch den BGH[131] als nicht gänzlich außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegend gewertet wird und zur Annahme eines Unfallereignisses geführt hat, dann wird man den weiteren Umgang mit den Fällen einer Auslösung von klinisch stummen Gesundheitsschäden kritisch verfolgen müssen.[132]

Auch bleibt zu überdenken, ob eine Typizität einer 100 %-igen Mitwirkung von klinisch stummen Krankheiten und Gebrechen vorliegen könnte, wenn der "unfallbedingte Gesundheitsschaden" lediglich in dem den Gesundheitsschaden auslösenden Moment lag (am Beispiel des sog. Schokoladenurteils: ohne Allergie kein Todesfall) und somit lediglich eine (beliebig auswechselbare) Auslöseursache durch das Unfallereignis geschaffen wurde. Denn ohne Arthrose gibt es keine Aktivierung einer Arthrose.

Die Fragestellung ist in der Praxis häufig bei Meniskus- oder Achillessehnenrissen[133] sowie Rotatorenmanschettenrupturen[134] zu finden. Ebenso streitgeneigt sind auch Bandscheibenvorfälle, bei denen eine Kausalität nur dann anzunehmen ist, wenn ein aus medizinischer Sicht so eindrucksvolles und dramatisches Unfallereignis vorlag, das zu sehr starken Schmerzen und dem Unvermögen führt, sich selbst zu erheben.[135] Ein unfallbedingter Bandscheibenschaden ist damit in der Regel nur dann anzunehmen, wenn die äußere Einwirkung mindestens so stark war, dass auch ein Wirbel davon brechen kann.[136]

Ob unfallfremde Faktoren[137] früher oder später zur gleichen Schädigung geführt hätten ist nicht relevant, sog. Reserveursachen oder eine überholende Kausalität sind nicht zu prüfen. Selbst ein ärztlicher Kunstfehler unterbricht die Kausalität in der Regel nicht.[138]

Jedoch ist ein Unfall auch nicht mehr kausal für das Versterben einer VP, wenn zwischen Unfallereignis und Tod eine unfallfremde Gesundheitsschädigung eskaliert, zu einer Verschlimmerung des allgemeinen Gesundheitszustands führt und die VP daran verstirbt. Bei solchen Fällen liegen in der Praxis regelmäßig viele Wochen oder Monate zwischen Unfall- und Todestag.

 

Rz. 67

Für die haftungsbegründende Kausalität gilt der Beweismaßstab des § 286 ZPO, ein Anscheinsbeweis ist nicht möglich.[139]

 

Hinweis

Der Fall des BGH[140] betrifft die Aktivierung einer Arthrose. Es bleibt abzuwarten, welche Kriterien die Rechtsprechung für einen objektiven Nachweis der Aktivierung einer vorbestehenden Arthrose erarbeiten wird.

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