Rz. 12

Der BGH hat mit Urt. v. 1.4.2015 den Fall an das Berufungsgericht zurückverwiesen und hat entschieden, dass bei einer Beeinträchtigung der Schulter die Invaliditätsleistung nicht nach der Gliedertaxe und dem Wert "Arm" (Bedingungsgenerationen AUB 99 ff.) zu berechnen sei, sondern in einem solchen Fall nach der Bewertung außerhalb der Gliedertaxe. Maßgeblich für die Beurteilung sei der Sitz der (primären) Verletzung.

Für die fristgebundene ärztliche Feststellung reiche es aus, dass ein Attest des Arztes

Zitat

"die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreiß[t], dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungspflicht erstrecken muss."

Als Anleitung für das Berufungsgericht gab der BGH die Maßgabe heraus, dass alle Gesundheitstatsachen zu berücksichtigen seien, die bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind.

Bei dem im Schadenfall heranzuziehenden Gliedertaxewert sei nicht auf den der gesamten Extremität, sondern nur auf den Wert abzustellen, der tatsächlich betroffen ist.

 

Rz. 13

Die Entscheidung vom 18.11.2015 befasst sich mit der Frage des Zeitpunkts, für die Erstbemessung der Invalidität. Der BGH sieht dafür den vertraglich vereinbarten Zeitpunkt des Invaliditätseintritts für Grund und Höhe des Invaliditätsanspruchs vor. Von diesem Zeitpunkt aus hat die Prognose der Dauerschädigung zu erfolgen. Für diese Prognose wiederum ist es aber erlaubt, alle Tatsachen heranzuziehen, die bis zur letzten mündlichen Verhandlung offenbar werden, wobei unvorhersehbare gesundheitliche Entwicklungen nicht berücksichtigt werden sollen.

Wird vor Ablauf der Neubemessungsfrist (drei Jahre) Klage erhoben, dann sei hingegen auf den Zeitpunkt drei Jahre nach dem Unfall abzustellen, da mit der Klage zum Ausdruck gebracht werde, dass man eine Invaliditätsleistung insgesamt verlange, also auch inklusive der Bewertung ­einer möglichen Neubemessung.

Für die im konkreten Fall vereinbarte Progressionsstaffel, die auf einer Tabelle basiert, sei der Invaliditätsgrad kaufmännisch zu runden.

 

Rz. 14

Am 19.10.2016 endschied der BGH über die adäquate Kausalität im Unfallbegriff sowie zur Frage der Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen. Dabei bestätigte der BGH seine frühere Rechtsprechung zur Adäquanztheorie, wonach

Zitat

"ein Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges der eingetretenen Art geeignet sein muss."[8]

Es reicht für die Adäquanz aus, wenn eine nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegende Mitwirkung gegeben ist. Eine Kausalität könne in der privaten Unfallversicherung nicht entsprechend der sozialrechtlichen Begrifflichkeit einer Gelegenheitsursache, also eines beliebig auswechselbaren Auslösers einer Schädigung entfallen. Eine Mitursächlichkeit ist ausreichend.

Gebrechen sind dauernde abnorme Gesundheitszustände, die eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise) nicht mehr zulassen. Das gilt auch dann, wenn die VP vorher an keinen Beschwerden gelitten hat, das Gebrechen aber zur Verstärkung der Folgen des späteren Unfalls beigetragen hat.[9]

[8] Vgl. BGH v. 23.10.2013 – IV ZR 98/12, r+s 2014, 91; BGH v. 14.3.1985 – IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329.
[9] Verweis auf BGH v. 8.7.2009 – I ZR 216/07, r+s 2009, 423.

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