Rz. 160

Die Urteilsergänzung kommt in einer Vielzahl von Fallkonstellationen, insbesondere bei Nebenanträgen in Betracht, wenn im Tenor:

versehentlich über einen laut Tatbestand erhobenen Haupt- oder Nebenanspruch oder über den Kostenpunkt nicht entschieden worden ist (§ 321 ZPO),

ein Vorbehalt fehlt, den der Beklagte aber benötigt, um seine Rechte im Nachverfahren geltend machen zu können (§ 302 Abs. 2 ZPO und § 599 Abs. 2 ZPO),[137]

 

Hinweis

Das OLG Schleswig ist der Auffassung, dass in dem Fall, dass das angefochtene Urteil der von dem Schuldner erhobenen Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses nicht durch Ausspruch eines entsprechenden Vorbehalts Rechnung getragen hat, die Aufnahme eines solchen Vorbehalts nicht nur im Wege der Urteilsergänzung erreicht werden kann, sondern auch im Wege der Berufung.[138] Dies vermag allerdings nicht zu überzeugen. Hält man § 321 ZPO auf diesen Fall für anwendbar, so ist dies der günstigere und schnellere Weg, so dass es für eine Berufung am Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

über die vorläufige Vollstreckbarkeit oder die Abwendungsbefugnis nicht entschieden worden ist (§ 716 ZPO),[139]
dem Schuldner bei einem Räumungstitel keine angemessene Räumungsfrist gewährt wurde (§ 721 Abs. 1 ZPO),
die Vorbehalte beschränkter Haftung nicht aufgenommen worden sind (§§ 305, 780, 786 ZPO),
das Gericht nicht über die Kosten für die Anrufung eines unzuständigen Gerichts nach § 281 Abs. 3 ZPO entschieden hat,[140]
das Gericht nicht über die Kosten der Säumnis gem. § 344 ZPO gesondert entschieden hat,
das Gericht nicht über die Kosten der Nebenintervention im Sinne von § 101 ZPO entschieden hat,[141] auch dann, wenn das Urteil selbst schon rechtskräftig ist, dem Nebenintervenienten jedoch nie zugestellt wurde[142] und es sich nicht um eine offensichtliche Unrichtigkeit handelt,[143]

das Gericht nicht über die Kosten eines als unzulässig verworfenen Antrags auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens entschieden hat,[144]

 

Hinweis

Wurde die Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention nach § 101 ZPO übergangen, läuft die Frist für die Urteilsergänzung von zwei Wochen erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung des zu ergänzenden Urteils an den Streithelfer.[145] Das Ergänzungsurteil verhält sich zu dem zu ergänzenden Urteil wie ein Schlussurteil zu einem Teilurteil.

nach der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuches gegen einen Sachverständigen und der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde eine Kostenentscheidung nicht getroffen wurde,[146]
das erkennende Gericht über einen Anspruch versehentlich nur teilweise entschieden hat,[147]
die Begrenzung der Haftung auf eine gesetzlich vorgesehene Haftungshöchstgrenze fehlt,[148]
die Entscheidung über den Zinsanspruch unterlassen wurde,[149]
das Gericht es unterlassen hat, die Fristsetzung nach § 355 ZPO aufzunehmen,[150]
die Entscheidung über die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 308a ZPO unterlassen wurde,[151]
die Höhe der Abwendungsbefugnis nach § 923 ZPO nicht bestimmt wurde.[152]
 

Rz. 161

In den vorgenannten Fällen ist eine Fehlerkorrektur durch die Berufung nicht möglich, weil es im Hinblick auf die fehlenden Ergänzungen an der erforderlichen Beschwer fehlt und im Hinblick auf die Möglichkeit der Urteilsergänzung einer Berufung allein aus diesem Grunde zunächst auch das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

 

Rz. 162

 

Hinweis

Eine Ausnahme gilt nur im Hinblick auf den Kostenpunkt; ist hier ein Antrag auf Urteilsergänzung nicht fristgerecht gestellt worden, kann das Berufungsgericht wegen § 308 Abs. 2 ZPO auch noch über die Kosten der ersten Instanz entscheiden. Dasselbe gilt für das Kostenfestsetzungsverfahren; auch hier können übergangene Kosten ohne Weiteres neu geltend gemacht werden.

 

Rz. 163

§ 321 ZPO gilt zunächst für die Fälle, in denen ein im Tatbestand enthaltener Haupt- oder Hilfsanspruch der Parteien nicht beschieden worden ist.

 

Rz. 164

Ist ein von der Partei geltend gemachter Haupt- oder Hilfsanspruch schon gar nicht im Tatbestand enthalten, muss zunächst ein Antrag nach § 320 ZPO auf Berichtigung des Tatbestands und hiermit verbunden sodann ein Antrag auf Urteilsergänzung gestellt werden.[153]

 

Rz. 165

Problematisch ist der Fall, dass über einen Haupt- oder Nebenantrag der Parteien keine Entscheidung im Tenor enthalten ist, jedoch der Haupt- oder Nebenanspruch in den Gründen abgehandelt und dort beschieden ist. In diesem Fall handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die nach § 319 ZPO zu korrigieren ist.[154]

 

Rz. 166

 

Tipp

Die Abgrenzung zwischen dem Berichtigungsantrag nach § 319 ZPO und dem Urteilsberichtigungsantrag nach § 321 ZPO kann im Einzelfall schwer zu bestimmen sein. Aus diesem Grunde sollte der Anwalt unter Berücksichtigung des Grundsatzes des sichersten Weges die Urteilsberichtigung nach § 319 ZPO beantragen und hilfsweise einen Antrag auf Urteilsergänzung nach § 321 ZPO stellen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Frist des § 321 Abs. 2 ZPO von zwei Wochen ab Zustellung des zu ...

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