Rz. 85

Die Parteivernehmung ist das schwächste Beweismittel, weil mit ihr eine der Prozessparteien vernommen wird und regelmäßig nicht anzunehmen ist, dass die Partei Erklärungen abgibt, die im Gegensatz zu dem stehen, was schriftsätzlich bereits vorgetragen ist.

 

Rz. 86

§ 445 ZPO bestimmt, dass eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, die Parteivernehmung des Gegners beantragen kann. Voraussetzung für einen entsprechenden Beweisantritt ist damit die Beweisnot im Hinblick auf andere Beweismittel. Das Gericht ist an diesen Antrag dann nicht gebunden, wenn es vom Gegenteil der zu beweisenden Tatsache bereits überzeugt ist (§ 445 Abs. 2 ZPO).

Der Gegner, dessen Vernehmung gefordert wird, ist nicht verpflichtet, sich vernehmen zu lassen. Weigert er sich, so kann das Gericht dies jedoch zum Anlass nehmen, die zu beweisende Tatsache als wahr zu unterstellen, § 446 ZPO. Anders als im Strafprozess, in dem ein Schweigen dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen darf, kann die Weigerung, sich vernehmen zu lassen, im Zivilprozess durchaus negative Folgen haben.

 

Rz. 87

Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass der Beweisführer selbst als Partei vernommen wird (§ 448 ZPO). Dies ist allerdings nur möglich, wenn der Gegner dem zustimmt, was er in der Regel nicht tun wird.

Das Gericht hat – insoweit abweichend von dem Dispositionsgrundsatz – auch die Möglichkeit, eine Partei von Amts wegen zu vernehmen. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme dem Gericht für eine Entscheidungsfindung nicht ausreicht (§ 448 ZPO).

 

Beispiel:

Die A verlangt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls. Sie trägt vor, die U sei bei Rot in die Kreuzung eingefahren und habe sie gerammt. Die U sei dann einfach weitergefahren, es sei ihr erst ca. 100 m weiter gelungen, die U zu stellen, die sich nach dem Anstoß rücksichtslos an ihr vorbeigedrängt habe und geflüchtet sei. Die U bestreitet, dass sie bei Rot gefahren sei. Sie sei auch nicht geflüchtet, sondern habe einen Parkplatz gesucht, um den Unfallschaden zu betrachten.

Bei der Beweisaufnahme stellt sich heraus, dass die Ampelanlage technisch in Ordnung war und unmittelbar an der ohnehin nur schwach befahrenen Unfallstelle mehrere Parkplätze frei waren.

In dieser Situation kann das Gericht eine Parteivernehmung der A gem. § 448 ZPO anordnen. Einerseits reicht das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht aus, um zu dem eindeutigen Schluss zu kommen, dass der Vortrag der U wahrheitswidrig ist, andererseits stellt sich der Vortrag jedoch als vermutlich wahrheitswidrig dar. Letzte Zweifel kann das Gericht folglich mit der Parteivernehmung zu zerstreuen versuchen, wenn andere Beweismittel nicht mehr zur Verfügung stehen.

 

Rz. 88

Die Vernehmung einer Partei orientiert sich an der Zeugenvernehmung, ebenso wie ein Zeuge ist auch die Partei – dies gilt allerdings gem. § 138 Abs. 1 ZPO im gesamten Verfahren – zur Wahrheit verpflichtet.

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