a) Typischer Sachverhalt

 

Rz. 44

F und M, seit August 2005 ohne Ehevertrag verheiratet, leben getrennt. Der Ehescheidungsantrag der F ist dem M im August 2020 zugestellt worden. F war während der Ehe wegen der Betreuung der gemeinsamen Kinder nicht berufstätig. Sie hat kein nennenswertes Vermögen bis auf den Hälfteanteil an dem gemeinsamen Wohnhaus. Dieses ist während der Ehe auf einem Grundstück errichtet worden, das F und M zuvor von den Eltern der F unentgeltlich übertragen worden ist. In Bezug auf den Hausbau bestehen noch Kreditverpflichtungen, für die die Eheleute gesamtschuldnerisch haften. F hatte bei Eheschließung einige Ersparnisse aus früherer Berufstätigkeit. Bis dahin erworbene Rentenanwartschaften hat sie sich im Wege der Heiratserstattung auszahlen lassen. M, der gerade erst seine Ausbildung abgeschlossen hatte, hatte bei Eheschließung kein Vermögen. Aus Ausbildungsförderung nach dem BAföG bestand eine Rückzahlungsverpflichtung in F nicht bekannter Höhe. Die Eltern des M haben diesem Barmittel aus Anlass des Hausbaus zugewandt. Deren Höhe ist F ebenfalls nicht bekannt. M hat während der Ehe ein in Form einer Einzelfirma betriebenes Unternehmen aufgebaut und hat Privatvermögen in Form von Lebensversicherungen, Barvermögen und Wertpapieren. F weiß nicht, ob und ggf. in welchem Umfang sie Mitberechtigung an diesem Vermögen hat. M hat sich einer neuen Partnerin zugewandt. F hat Anhaltspunkte dafür, dass M seiner Partnerin einen Pkw geschenkt hat.

b) Rechtliche Grundlagen

 

Rz. 45

Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft, reformiert durch das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts,[78] der hier mangels Abschlusses eines Ehevertrages gilt, sieht u.a. für den Fall der Beendigung der Ehe durch Ehescheidung die Durchführung des Zugewinnausgleichs nach Maßgabe der §§ 1372 ff. BGB vor. Nach § 1378 Abs. 1 BGB hat derjenige der Ehegatten, der während der Ehe den höheren Zugewinn erzielt hat, dem anderen die Hälfte des Überschusses als Zugewinnausgleich zu zahlen.[79] Die Forderung entsteht nach § 1378 Abs. 3 BGB mit der Beendigung des Güterstandes, im Falle der Ehescheidung also mit Rechtskraft eines Ehescheidungsbeschlusses.[80] Die Forderung ist erst ab diesem Zeitpunkt vererblich, übertrag- und pfändbar[81] und verjährt nach den Bestimmungen der §§ 194 ff. BGB, d.h. mit dreijähriger Verjährungsfrist, ggf. gehemmt nach § 207 Abs. 1 S. 1 BGB.

 

Rz. 46

Zugewinn ist nach § 1373 BGB der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten sein Anfangsvermögen übersteigt. Die Vorschrift ist unverändert geblieben, so dass seit dem 1.9.2009 auch negativer Zugewinn – das Anfangsvermögen ist höher als das Endvermögen – nicht in den Zugewinnausgleich einzubeziehen ist. Es bleibt bei dem Prinzip, dass der gesetzliche Güterstand nur eine Zugewinn- und keine Verlustgemeinschaft ist.[82]

 

Rz. 47

Anfangsvermögen ist das nach Abzug der Schulden am Tage der standesamtlichen Eheschließung vorhandene Nettovermögen eines Ehepartners, § 1374 Abs. 1 Hs. 1 BGB. Verbindlichkeiten sind auch über die Höhe des Vermögens hinaus vollständig abzuziehen, § 1374 Abs. 3 BGB, so dass sich auch ein negatives Anfangsvermögen (Schulden) ergeben kann.[83]

Hierdurch wird gewährleistet, dass der Vermögenszuwachs in der Ehe wirtschaftlich vollständig erfasst wird, auch insoweit, als er in der Tilgung der bei Eheschließung vorhandenen Verbindlichkeiten besteht.

 

Rz. 48

Dem Anfangsvermögen hinzuzurechnen ist nach § 1374 Abs. 2 BGB – ausschließlich – Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung[84] oder als Ausstattung erwirbt, und zwar wiederum nach Abzug der Verbindlichkeiten und unter der Voraussetzung, dass es nicht den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist.[85] Der BGH hält an der Auffassung fest, dass die Bestimmung keiner ausdehnenden Analogie zugänglich ist, und hat mit dieser Begründung im Ergebnis beispielsweise wiedervereinigungsbedingten Vermögenserwerb durch Restitution nach dem Vermögensgesetz als ausgleichspflichtigen Zugewinn behandelt.[86] So ist auch ein Lottogewinn dem Zugewinnausgleich zu unterwerfen, selbst wenn er erst nach mehrjähriger Trennung zugefallen ist.[87]

 

Rz. 49

Endvermögen ist nach § 1375 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1384 BGB das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten am Tage der Zustellung des Ehescheidungsantrages[88] gehört.

 

Rz. 50

Anfangs- und Endvermögen, dem Anfangsvermögen hinzuzurechnender Vermögenserwerb sowie dem Endvermögen hinzuzurechnende Vermögensminderung sind jeweils mit dem Wert zum maßgeblichen Stichtag zu berücksichtigen, § 1376 Abs. 1 bis 3 BGB.[89] Eine spezielle Bewertungsvorschrift sieht das Gesetz in § 1376 Abs. 4 BGB nur für einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb vor, der sowohl bei der Berechnung des Anfangsvermögens als auch bei der Berechnung des Endvermögens zu berücksichtigen ist und von dem auf Zugewinnausgleich in Anspruch genommenen Betriebsinhaber fortgeführt werden soll.

 

Rz. 51

Die Eheg...

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