Rz. 79

Sind die Einkommensverhältnisse der Familie günstig, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die gesamten Einkünfte für den Unterhalt zur Verfügung standen; insbesondere kann nicht so gerechnet werden, dass das gesamte Einkommen, das der Getötete nicht unbedingt für sich selbst ausgeben musste, den Unterhaltsbetrag für die Familie darstellt. Denn es ist zu berücksichtigen, dass nur derjenige Teil des Einkommens in die Unterhaltspflicht fällt, auf den die unterhaltsberechtigten Angehörigen nach familienrechtlichen Vorschriften einen Anspruch gehabt hätten.[159] Daher ist insbesondere bei höheren Einkommen zu prüfen, ob und in welcher Höhe Beträge zur Vermögensbildung in Betracht kommen. Dabei kann grundsätzlich nicht auf allgemeine Erfahrungssätze abgestellt werden; vielmehr muss jeweils im Einzelfall konkret festgestellt werden, ob und welchen Betrag die Eheleute wirklich zur Vermögensbildung verwenden wollten.[160] Hier stellt es einen Anhaltspunkt dar, welche Teile ihrer Einkünfte die Familie schon bisher zur Vermögensbildung aufgewendet hat. Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Sparleistungen auch häufig dazu dienen sollen, bevorstehende größere Ausgaben zu ermöglichen, die zu den Lebenshaltungskosten zählen,[161] sodass solche Ersparnisse ihrerseits wiederum dem Unterhalt der Familie dienen.

 

Rz. 80

Zwar kann eine tatsächliche Handhabung in der Familie nicht stets rechtlich verbindlich sein. Jedoch muss der Richter bei hiervon abweichender Beurteilung der Frage, in welcher Höhe das Einkommen zur allgemeinen Lebenshaltung zu verbrauchen ist und daher Unterhalt darstellt, durchaus zurückhaltend sein;[162] lediglich ein übertriebener Aufwand hat ebenso wie eine zu dürftige Lebensführung außer Betracht zu bleiben.[163] In diesem Rahmen ist es letztlich Aufgabe des Richters, in Anwendung des § 287 ZPO von den Gesamteinkünften denjenigen Teil zu schätzen, der – nach Berücksichtigung einer Vermögensbildung – zur Unterhaltsleistung zur Verfügung gestanden hätte.[164]

[159] OLG Koblenz, Urt. v. 19.11.2007 – 12 U 1400/05, NJW-RR 2008, 1097; dazu Jahnke, jurisPR-VerkR 11/2008 Anm. 2.
[160] Vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1986 – VI ZR 46/85, VersR 1987, 156, 157 f.
[161] Vgl. BGH, Urt. v. 27.4.1983 – IVb ZR 372/81, NJW 1983, 1733.
[162] Vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1986 – VI ZR 46/85, VersR 1987, 156, 158.
[163] Vgl. BGH, Urt. v. 4.11.1981 – IVb ZR 624/80, NJW 1982, 1645, 1646.
[164] Vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.12.1978 – VI ZR 218/76, VersR 1979, 323, 324; OLG Bamberg, Urt. v. 22.12.1981 – 5 U 148/81, VersR 1982, 856; OLG Frankfurt, Urt. v. 25.11.1988 – 1 U 29/87, NJW-RR 1990, 1440, 1441; OLG Hamm, Urt. v. 6.6.2008 – 9 U 123/05, NZV 2008, 570 LS = Volltext bei juris; OLG Zweibrücken, Urt. v. 4.12.1992 – 1 U 155/89, VersR 1994, 613.

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