Rz. 648

Fraglich kann sein, wem der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Zugewinnausgleich zuzuordnen ist, wenn widerrufliche oder unwiderrufliche Bezugsrechte oder Rechte anderer Personen aufgrund von Verpfändung, Abtretung oder Pfändung bestehen. Hier dürfte danach zu differenzieren sein, in wessen Vermögen die Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung fallen. Folglich ist bei Bestehen lediglich widerruflicher Bezugsrechte die Kapitalversicherung im Zugewinnausgleich des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen. Bei Bestehen eines unwiderruflichen Bezugsrechts ist sie im Zugewinnausgleich des unwiderruflich Bezugsberechtigten zu berücksichtigen.[1113] Bei der Verpfändung hängt die Zuordnung vom Eintritt der Pfandreife ab. Besteht eine Abtretung oder Pfändung sämtlicher Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung, dürfte diese im Zugewinnausgleich des Versicherungsnehmers nicht zu berücksichtigen sein.[1114] Anders ist dies bei einer Sicherungsabtretung. Bei einer Sicherungsabtretung ist die Versicherung im Zugewinnausgleich des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen, wenn auch die gesicherte Forderung güterrechtlich berücksichtigt wird.[1115]

 

Rz. 649

Hat ein Ehegatte als Versicherungsnehmer einer gemischten Kapitallebensversicherung bestimmt, dass die Versicherungsleistung im Erlebensfall an ihn und im Falle seines vorzeitigen Todes unwiderruflich an den anderen Ehegatten gezahlt werden soll, und bleibt diese geteilte Begünstigung, soweit sie sich auf den ehezeitlich erlangten Teil des Anrechts bezieht, nach dem Scheitern der Ehe bestehen, so ist sowohl das aufschiebend bedingte Anrecht des Versicherungsnehmers als auch das auflösend bedingte Anrecht des anderen Ehegatten bei der Berechnung des Zugewinns zu berücksichtigen. Zur Bewertung dieser Anrechte kann nicht allein auf die rechtliche Zuordnung des Rückkaufswertes abgestellt werden, sondern es muss anhand der konkreten Umstände des Falles die Ungewissheit berücksichtigt werden, ob der Erlebens- oder Todesfall eintreten wird.[1116]

 

Rz. 650

Im Übrigen ist die Anwartschaft aus einer Kapitalversicherung beim Zugewinnausgleich nur dann mit dem sog. Rückkaufswert anzusetzen, wenn am Stichtag (§ 1384 BGB = Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags) die Fortführung des Versicherungsvertrages nicht zu erwarten ist und auch durch eine Stundung der Ausgleichsforderung (§ 1382 BGB) nicht ermöglicht werden kann. Bei voraussichtlicher Fortführung des Versicherungsverhältnisses soll es nach der Rechtsprechung des BGH Sache des – gegebenenfalls sachverständig beratenen – Tatrichters sein, im Einzelfall eine geeignete Bewertungsart sachverhaltsspezifisch auszuwählen und anzuwenden. Es handele sich letztlich um eine Schätzung des Fortführungswertes im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO. Nach der Rechtsprechung bildet der Rückkaufswert dabei stets die untere Grenze, wobei aber der Stornoabzug gem. § 176 Abs. 4 VVG a.F. (jetzt: § 169 Abs. 5 VVG) nicht zu berücksichtigen ist.[1117]

 

Rz. 651

Zur Frage, wie der sog. Fortführungswert zu ermitteln ist, besteht Uneinigkeit.[1118] Vorzugswürdig ist nach Ansicht des Verfassers der Lösungsvorschlag der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. Danach ist als Fortführungswert der Versicherung im Zugewinnausgleich der Rückkaufswert der individuell gutgeschriebenen Versicherungsleistungen ohne Stornoabschläge, d.h. das rechnungsmäßige Deckungskapital inklusive gutgeschriebener Gewinnanteile (dies schließt Ansammlungsguthaben ein) zuzüglich eines zum Bewertungsstichtag erreichten Anwartschaftsbarwertes auf Schlussgewinnanteile, anzusetzen.[1119] Durch diese Berechnungsmethode wird einerseits erreicht, dass die bei der Einbeziehung des reinen Rückkaufswertes dem Ausgleichsverpflichteten zugute kommenden Stornoabschläge ausgeklammert werden können. Zum anderen werden dem Ausgleichsberechtigten die unter Umständen erheblichen Schlussgewinnanteile, soweit sie bereits entstanden sind, zugänglich gemacht. Im Ergebnis ist auf diese Art und Weise folglich der "wahre Wert" der Versicherung zu ermitteln.[1120]

 

Rz. 652

Eine Lebensversicherungssumme, die ein Ehegatte als Bezugsberechtigter aus der Versicherung eines ihm nahestehenden verstorbenen Dritten erhält, fällt unter sein privilegiertes Vermögen i.S.d. § 1374 Abs. 2 BGB und unterliegt nicht dem Zugewinnausgleich.[1121]

[1113] BGH v. 22.3.1984 – IX ZR 69/83, NJW 1984, 1611.
[1114] Raube/Eitelberg, FamRZ 1997, 1322, 1324.
[1115] Palandt/Brudermüller, § 1376 BGB Rn 54.
[1116] BGH v. 20.5.1992 – XII ZR 255/90, NJW 1992, 2154, 2156 f. = VersR 1992, 1382, 1385.
[1117] BGH v. 12.7.1995 – XII ZR 109/94, NJW 1995, 2781 = VersR 1995, 1225, 1226 (vgl. auch die dort aufgeführten Vorschläge zur Ermittlung des Fortführungswertes).
[1118] Zu den einzelnen Meinungen vgl. Raube/Eitelberg, FamRZ 1997, 1322, 1325 f.
[1119] Vgl. Raube/Eitelberg, FamRZ 1997, 1322, 1326.
[1120] Raube/Eitelberg, FamRZ 1997, 1322, 1326.
[1121] BGH v. 20.9.1995 – XII ZR 16/94, NJW 1995, 3113 = VersR 1995, 1429, 1430.

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