Rz. 47

Neben der zuvor behandelten Frage, wie der Telearbeiter einkommen- bzw. lohnsteuerrechtlich zu erfassen ist, kann die Beschäftigung von Telearbeitern auch beim Arbeitgeber unmittelbar steuerrechtliche Auswirkungen haben, und zwar insbesondere dann, wenn der Telearbeiter mit seinem Homeoffice selbst als Betriebsstätte gemäß § 12 AO bzw. in abkommensrechtlichem Sinne anzusehen ist.

1. Arbeitsleistung am inländischen Wohnsitz

 

Rz. 48

Arbeitet der Telearbeiter von seinem inländischen Wohnsitz aus und befindet sich auch der ihn beschäftigende Arbeitgeber im Inland, so hat die Frage, ob der Telearbeiter eine Betriebsstätte nach § 12 AO bildet, in erster Linie gewerbesteuerliche Auswirkungen.[34] Liegen der Geschäftssitz des Arbeitgebers und der Wohnsitz des Telearbeiters in unterschiedlichen Gemeinden, so wäre, wenn der Telearbeiter eine Betriebsstätte darstellen würde, nach §§ 28 ff. GewStG eine Zerlegung des einheitlichen Steuermessbetrages vorzunehmen.

 

Rz. 49

Eine Betriebsstätte ist nach § 12 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Dies beinhaltet eine sowohl räumliche als auch zeitliche Komponente. Eine Geschäftseinrichtung können sowohl ein Gebäude als auch einzelne Räume eines Gebäudes sein.[35] Nutzt der Telearbeiter für seine Tätigkeit seine Wohnung bzw. einen Teil seiner Wohnung (Homeoffice), so ist grundsätzlich eine Geschäftseinrichtung gegeben. Geschieht dies für einen längeren Zeitraum, so liegt auch eine feste Geschäftseinrichtung im Sinne einer örtlich und zeitlich nachhaltigen Nutzung vor.[36] Auch der Bezug zur Tätigkeit des Unternehmens ist unproblematisch, wenn mit der Telearbeit betriebliche Aufgaben in die Wohnung des Arbeitnehmers ausgelagert werden.

 

Rz. 50

Weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Betriebsstätte ist nach der Rechtsprechung, dass der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Einrichtung hat.[37] Eine solche Verfügungsmacht ist dann anzunehmen, wenn der Unternehmer hinsichtlich bestimmter Räume eine Rechtsposition inne hat, die ihm nicht ohne weiteres entzogen oder die ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres verändert werden kann.[38] Dies ist hinsichtlich der Privatwohnung des Arbeitnehmers nicht anzunehmen. Auch die arbeitsvertraglich vorgesehene Nutzung der Wohnung bzw. einzelner Zimmer zu dienstlichen Zwecken begründet eine solche Verfügungsmacht nicht.[39]

 

Rz. 51

Grundsätzlich ist der Telearbeiter danach nicht als Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO anzusehen. Anderes mag allenfalls in Ausnahmefällen gelten, wenn etwa aufgrund der konkreten Einrichtung des Homeoffice im Einzelfall eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers hierüber anzunehmen ist.[40] Nach der Rechtsprechung[41] stellt außerdem die Stätte der Geschäftsleitung gem. § 12 S. 2 AO eine Betriebsstätte dar, ohne dass eine feste Geschäftseinrichtung vorliegen muss. Danach kann eine Betriebsstätte gegeben sein, wenn ein Geschäftsführer eines Unternehmens selbst als Telearbeiter tätig wird. In diesen Ausnahmefällen hat, soweit der Telearbeitsplatz in einer anderen Gemeinde liegt als das beschäftigende Unternehmen, eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages nach §§ 28 ff. GewStG zu erfolgen.

[34] Pasch/Utescher, BB 2001, 1660, 1662.
[35] BFH 14.7.2004 – I R 106/03 (n.v.); Schmidt/Loschelder, § 49 EStG Rn 21 ff.
[40] Vgl. Pasch/Utescher, BB 2001, 1660, 1663.

2. Arbeitsleistung am ausländischen Wohnsitz

 

Rz. 52

Arbeitet der Telearbeiter von seinem ausländischen Wohnsitz aus für einen inländischen Arbeitgeber, so kann die Frage, ob er eine Betriebsstätte darstellt, gem. Art. 7 OECD-MA für die Besteuerung des Arbeitgebers Bedeutung erlangen. Nach Art. 7 OECD-MA können Unternehmensgewinne, die in einer ausländischen Betriebsstätte erzielt werden, abweichend vom Wohnsitzprinzip des Art. 15 OECD-MA in dem ausländischen Staat besteuert werden.

 

Rz. 53

Die Betriebsstättendefinition des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ist ähnlich gestaltet wie diejenige in § 12 AO, so dass ein Homeoffice grundsätzlich nur in den oben genannten Ausnahmefällen eine Betriebsstätte begründet. Zu beachten sind allerdings die abkommensrechtlichen Besonderheiten. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA enthält einen Negativkatalog von Tätigkeiten mit untergeordneter Bedeutung; in den Fällen der dort genannten Hilfstätigkeiten liegt keine Betriebsstätte vor. Im Einzelfall ist anhand von Art und Umfang der Tätigkeit des Telearbeiters zu prüfen, ob einer der Ausnahmefälle des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA einschlägig ist. Einen weiteren Ausnahmefall stellt die sog. Vertreterbetriebsstätte nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA dar. Bestimmte, mit Abschlussvollmachten ausgestattete Unternehmensvertreter gelten nach dieser Regelung als Betriebsstätte.

 

Rz. 54

Auch bei einer Tätigkeit des Telearbeiters im Ausland ist insoweit nur in Ausnahmefällen von einer Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA au...

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