Rz. 168

Von der Rechtsprechung sind bis heute gegen die Experimentierklausel keine durchgreifenden Wirksamkeitsbedenken aus AGB-rechtlicher Sicht erhoben worden.[323] Demgegenüber vertreten Koch/Artz[324] erstmals seit Mitte 2001 die Auffassung, dass die Erprobungsklausel einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG (jetzt § 307 BGB) nicht standhalte und im Übrigen als "überraschende Klausel" im Sinne von § 3 AGB (jetzt § 305c BGB) zu qualifizieren sei. Soweit angeführt wird, die Klausel weiche von den AHB ab, als sie auch Sachschäden betreffe,[325] mag dies zwar stimmen, nur ist nicht recht einzusehen, woraus die "Leitbildfunktion", auf die sich Koch/Artz beziehen, abgeleitet wird. Die AHB sind eben kein gesetzliches Regelwerk, woraufhin zutreffend auch die Versichererseite verweist.[326] Ebenso wenig überzeugend ist der Hinweis von Koch und Artz, die Erprobungsklausel beschränke den Ausschluss nicht auf vorsätzliches Nichterproben und weiche damit vom Leitbild des § 152 VVG ab. Da ein Risikoausschluss vorliegt, hat dieser § 152 VVG nicht zwingend zu entsprechen. Im Ergebnis ist daher der Auffassung, die Klauseln seien unwirksam, nicht zu folgen.[327] Nur: Im Hinblick auf die Entwicklungen wäre es erneut überlegenswert, die sog. Erprobungsklausel auf "definitiv AGB-feste Beine" zu stellen und dem ­Versicherer damit – und ich betone: zu Recht – eine weitere echte Möglichkeit zu geben, in der heutigen modernen und schnelllebigen Zeit das Risiko konkret zu begrenzen. Ich hielte es für sehr sachgerecht, wenn sich Versicherer häufiger als dies in der Praxis geschieht, auf diesen Ausschluss berufen würden und – mit der Sicherheit der Wirksamkeit der Klausel – auch berufen könnten. Vielleicht wäre ein "Weniger" an Regelungsmasse in der Klausel ein "Mehr" für die versicherungswirtschaftliche Praxis.

[323] In den zur Erprobungsklausel zitierten Urteilen hatte man die AGB-Thematik gar nicht erst erwähnt; lediglich in der Entscheidung des OLG Bremen VersR 1999, 1102 wurde zur AGB-Thematik mit wenigen Sätzen Stellung genommen. Dort wurde jedoch betont, dass ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht vorliege; siehe dazu jetzt auch LG Karlsruhe, Urt. v. 26.9.2008 – 15 O 100/07; vgl. auch ohne Bedenken OLG Köln r+s 2015, 190 ff.; kritisch aber dazu in der Anm. von Schimikowski, r+s 2015, 192 f.
[324] Koch/Artz, DB 2001, 1599; vgl. auch kritisch Koch in Bruck/Möller, VVG Bd. IV, 9. Aufl. 2013, Ziff. 6 ProdHM 2008, 25 ff.
[325] Koch/Artz, DB 2001, 1601.
[326] Thürmann, PHi 2002, 34.
[327] Ebenso vgl. Thürmann, PHi 2002, 35, 36; Schwabe, VersR 2002, 793; a.A. Foerst/Graf von Westphalen/Mühlbauer, § 77 Rn 9; Littbarski, Ziff. 6 Rn 225.

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