Rz. 96

Wie bereits hervorgehoben, ist der Anwendungsbereich der Ziff. 4.3 und dessen Bedeutung relativ gering. Da das vom Versicherungsnehmer gelieferte Material selbst in den Erfüllungsbereich fällt und deswegen vom Produkthaftpflicht-Modell nicht gedeckt ist (vgl. Ziff. 6.1.1), ist der gedeckte Vermögensschaden lediglich der, der durch den vergeblichen Verarbeitungsaufwand entsteht. Es ist hervorzuheben, dass bei Ziff. 4.3 die Deckungsvoraussetzungen (4.3.1) und deren Folgen (4.3.2) zu unterscheiden sind.[190] Auch hier gilt – wie schon zu Ziff. 4.2 ausgeführt –, dass nur die Schadenspositionen gedeckt sind, die ausschließlich in den Ziff. 4.3.2.1 ff. aufgelistet und enumerativ aufgeführt sind.

[190] Die versicherten Schadensersatzansprüche sind ab dem ProdhaftModell 2000/2002 gegenüber dem Produkthaftpflicht-Modell von 1987 in verschiedenen Einzelziffern aufgeführt.

(1) Herstellungskosten (Ziff. 4.3.2.1)

 

Rz. 97

Gedeckt werden die Kosten für die Weiterverarbeitung oder Bearbeitung der mangelhaften Erzeugnisse, sofern die verarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse tatsächlich "unveräußerlich" sind. Erfasst ist damit der vergebliche Verarbeitungsaufwand, aber nur bei Unveräußerlichkeit. Davon ausgenommen ist ausweislich der Ziff. 4.3.2.1 zudem das Entgelt für das gelieferte mangelhafte Erzeugnis des Versicherungsnehmers. Unter Umständen können auch vergeblich verwendete Vertriebsmittel ersetzt werden.

(2) Nachbearbeitung (Ziff. 4.3.2.2)

 

Rz. 98

Ziff. 4.3.2.2 ersetzt die Kosten für eine rechtlich gebotene und wirtschaftlich zumutbare Nachbearbeitung der verarbeiteten oder bearbeiteten Erzeugnisse oder die für eine andere Schadenbeseitigung aufgewandten Kosten. Aus der Formulierung lässt sich unschwer entnehmen, dass sich Ziff. 4.3.2.1 des Modells und Ziff. 4.3.2.2 gegenseitig ausschließen.[191] Ist demzufolge die Nachbearbeitung möglich – und damit das Produkt nicht endgültig unveräußerlich – kann der Versicherungsnehmer die Nachbearbeitungskosten verlangen. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die das mangelhafte Ergebnis der Verarbeitung verbessern und es dem vermeintlich optimalen Endzustand annähern (z.B. das Nachfärben von Stoffen).[192]

 

Rz. 99

Zu betonen ist, dass der Nachbearbeitungsaufwand nicht vollständig gedeckt wird.[193] Der deckungsrechtlich bereits nach den AHB nicht erfasste Erfüllungsbereich wird ausgenommen. Dies wird in dem nachfolgenden Satz der Ziff. 4.3.2.2 deutlich, in dem es heißt, der Versicherer ersetzt diese Kosten in dem Verhältnis nicht, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des Versicherungsnehmers zum Verkaufspreis der weiterverarbeiteten oder weiterbearbeiteten Erzeugnisse steht. Abgesehen von dem AGB-rechtlich betrachtet nicht ganz unproblematischen Klammerzusatz sind die Kosten nicht leicht zu berechnen.

 

Rz. 100

Ferner ist auf den Klammerzusatz auf Ziff. 6.2.8 zu verweisen. Danach werden Kosten nicht ersetzt, die im Zusammenhang mit einem Rückruf – der in Ziff. 6.2.8 definiert ist – getätigt werden.

[191] So mit vertretbarer Begründung Stempfle, § 15 Rn 195.
[192] Ebenso Thürmann/Kettler, Produkthaftpflichtversicherung, 155.
[193] Dazu Littbarski, Ziff. 4 Rn 182, 126 ff. m.w.N.

(3) Weitere Vermögensnachteile (Ziff. 4.3.2.3)

 

Rz. 101

Nach Ziff. 4.3.2.3 ersetzt der Versicherer weitere Vermögensnachteile (z.B. entgangenen Gewinn) unter der Voraussetzung, dass die weiterverarbeiteten oder weiterbearbeiteten Erzeugnisse nicht oder nur mit einem Preisnachlass veräußert werden können (wiederum dann nicht, wenn die Kosten im Zusammenhang mit einem Rückruf geltend gemacht werden, vgl. Ziff. 6.2.8). Aus der Formulierung, insbesondere aber auch aus Sinn und Zweck der Ziff. 4.3.2 ergibt sich, dass dieser Baustein kumulativ mit den übrigen Bausteinen der Ziff. 4.3.2.1 und 4.3.2.2 zur Anwendung gelangt (Mindererlös trotz Nachbearbeitung; entgangener Gewinn neben den Herstellungskosten als Schadensersatz, vgl. §§ 281 ff., 284 BGB).[194] Auch hier ist wiederum zu berücksichtigen, dass der Versicherer die Vermögensnachteile in dem Verhältnis nicht ersetzt, in dem das Entgelt für die Erzeugnisse des Versicherungsnehmers zu dem Verkaufspreis steht, der bei mangelhafter Herstellung oder Lieferung der Erzeugnisse des Versicherungsnehmers nach Weiterverarbeitung oder -bearbeitung zu erwarten gewesen wäre.

[194] Palandt/Heinrichs, § 284 Rn 3; vgl. zur ursprünglichen Klausel das Modell von 1987: Dort war zumindest problematisiert, ob und inwieweit die in Rede stehende Ziff. 4.3 nach § 9 AGBG a.F. unwirksam sein könnte, was im Ergebnis aber zu verneinen ist, Littbarski, Ziff. 4 Rn 138; vgl. dazu auch Schmidt-Salzer/Hinsch/Thürmann, Rn 7.7.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge